

Nietzsche wurde von rechten Theoretikern und Politikern immer wieder zur Galionsfigur erhoben. Von Mussolini und Hitler bis hin zur AfD – immer wieder wird Nietzsche in Beschlag genommen, wenn es darum geht, der modernen Gesellschaft eine radikale reaktionäre Alternative entgegenzustellen. Besonders faszinierte Nietzsche die intellektuelle Rechte, etwa Autoren wie Ernst Jünger, Carl Schmitt und Martin Heidegger, die in den 20er Jahren ein kulturelles Vorfeld des aufziehenden Nationalsozialismus bildeten, auch wenn sie sich später von ihm teilweise distanzierten. Oft spricht man auch von der „Konservativen Revolution“1.
Was entnehmen diese Autoren Nietzsche und inwiefern lesen sie ihn einseitig und übersehen andere Potentiale in seinem Werk? Unser Autor Paul Stephan sprach darüber mit dem Philosophen Robert Hugo Ziegler.


Paul Stephan unterhielt sich mit Jenny Kellner und Hans-Martin Schönherr-Mann über die Lesart eines der wichtigsten Nietzsche-Interpreten des 20. Jahrhundert: Georges Bataille (1897–1962). Der französische Schriftsteller, Soziologe und Philosoph verteidigte die Vieldeutigkeit von Nietzsches Philosophie gegen ihre nationalsozialistische Vereinnahmung und wurde damit zu einem zentralen Stichwortgeber der Postmoderne. Er wollte auf der Grundlage einer dionysischen Mythologie eine neue Konzeption von Souveränität entwickeln, die das traditionelle Verständnis einer verantwortlichen Subjektivität transzendiert,und kritisierte die moderne kapitalistische Rationalität im Namen einer „Ökonomie der Verschwendung“. Mit all dem gibt er wichtige Impulse, um unsere Gegenwart besser zu verstehen.


Nietzsche ist immer wieder Gegenstand politischer Deutungsprojekte geworden, von links wie von rechts. Nietzsche und Marx wurden immer wieder aufs Neue als Doppelgespann einer Konzeption umfassender Emanzipation jenseits der ausgetretenen Pfade der dominanten linkspolitischen Strömungen betrachtet. In seinem Buch How to Philosophize with a Hammer and Sickle. Nietzsche and Marx for The Twenty-First Century und in zahllosen Youtube-Videos aktualisiert Jonas Čeika diese Sichtweise für unsere Zeit. Henry Holland hat sich für Nietzsche POParts mit der Frage beschäftigt, was von diesem Ansatz zu halten ist.


In der Reihe „Was bedeutet Nietzsche für mich?“ werden unsere Stammautoren in den nächsten Wochen ihren je persönlichen Zugang zu Nietzsche und seinem Denken vorstellen. Unser leitender Redakteur Paul Stephan macht den Anfang und berichtet darüber, wie er als Jugendlicher Nietzsche entdeckte – und sich heute nicht mehr unbedingt als „Nietzscheaner“ versteht.