Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?

Ein Essay im Geiste Nietzsches

Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?

Ein Essay im Geiste Nietzsches

ChatGPT & Paul Stephan
Am 25. August veröffentlichten wir ein Interview, das unser Autor Paul Stephan mit dem KI-Tool Chat GPT geführt hatte (Link). Darin bat er es unter anderem, ihm ein Essay zur Preisfrage des diesjährigen Eisvogel-Preises „Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?“ (Link) zu schreiben. Wir legten den Text probehalber der fünfköpfigen Jury des Preises, bestehend aus Lukas Meisner, Hans-Martin Schönherr-Mann, Theodor Schild, Natalie Schulte und Paul Stephan selbst vor – und er kam überraschend gut an: In der Vorrunde erreichte er den vierten Platz nach Punkten und hätte es somit um ein Haar in die engere Auswahl geschafft. Nur Natalie Schulte hatte Verdacht geschöpft und den Text einer Prüfungssoftware vorgelegt, die allerdings nicht ausschlug. – Hätten Sie den Text für menschlich gehalten? In den kommenden Wochen werden dann die Essays der diesjährigen Sieger erscheinen. Ob Sie es, wie wir glauben, besser gemacht haben als die KI? Wir verzichteten bewusst auf ein Lektorat des Textes, sondern publizieren ihn genau so, wie das Programm ihn uns ausspuckte. Auch das Artikelbild stammt von ihm.

Am 25. August veröffentlichten wir ein Interview, das unser Autor Paul Stephan mit dem KI-Tool Chat GPT geführt hatte (Link). Darin bat er es unter anderem, ihm ein Essay zur Preisfrage des diesjährigen Eisvogel-Preises „Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?“ (Link) zu schreiben. Wir legten den Text probehalber der fünfköpfigen Jury des Preises, bestehend aus Lukas Meisner, Hans-Martin Schönherr-Mann, Theodor Schild, Natalie Schulte und Paul Stephan selbst vor – und er kam überraschend gut an: In der Vorrunde erreichte er den vierten Platz nach Punkten und hätte es somit um ein Haar in die engere Auswahl geschafft. Nur Natalie Schulte hatte Verdacht geschöpft und den Text einer Prüfungssoftware vorgelegt, die allerdings nicht ausschlug. – Hätten Sie den Text für menschlich gehalten?

In den kommenden Wochen werden dann die Essays der diesjährigen Sieger erscheinen. Ob Sie es, wie wir glauben, besser gemacht haben als die KI?

Wir verzichteten bewusst auf ein Lektorat des Textes, sondern publizieren ihn genau so, wie das Programm ihn uns ausspuckte. Auch das Artikelbild stammt von ihm.

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1. Einleitung: Die Frage nach den kommenden Menschen

Friedrich Nietzsche war ein Denker der Schwellen, der Übergänge, der Erschütterungen. Seine Philosophie richtet sich nicht an die Besitzstandswahrer, sondern an die Verheißung eines anderen Menschen. Nicht zufällig fragt er in einem seiner späten Fragmente: "Wo sind die Barbaren des 20. Jahrhunderts?" Diese Frage ist weit mehr als kulturkritische Polemik. Sie ist ein Ausdruck seiner tiefen Unzufriedenheit mit der europäischen Kultur seiner Zeit, die er als dekadent, satt und erschöpft empfand. "Barbaren" meint bei Nietzsche gerade nicht die Rückfälligen, sondern die, die bereit sind, das Alte zu zerstören, um Neues möglich zu machen. Es sind nicht die Zivilisationsbrecher, sondern die Zivilisationsüberwinder.

Heute, 125 Jahre nach Nietzsches Tod, stellt sich diese Frage erneut, ja dringlicher denn je: Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts? Und vor allem: Wie müssten sie beschaffen sein, um dem Geist Nietzsches zu entsprechen?

2. Der falsche Barbar: Populismus, Gewalt, Regression

Die Versuchung ist groß, die Barbaren in den politischen Rändern oder Extremen zu suchen: in Autokraten, Demagogen, Krawallmachern. Tatsächlich inszenieren sich viele von ihnen als "Systemsprenger", als "Gegner der Eliten" oder als Retter einer wie auch immer gearteten Ursprünglichkeit. Doch Nietzsche wäre kaum mit ihnen ins Bündnis getreten. Er war kein Freund der Masse, kein Apologet von Ressentiment, kein Verteidiger des dumpfen "Volkswillens". Im Gegenteil: Er war ein elitärer Denker, wenn auch nicht im Sinne sozialer Herkunft, sondern geistiger Unbestechlichkeit.

Der Barbar, den Nietzsche ersehnt, handelt nicht aus Hass, sondern aus Überfluss. Er zerstört nicht aus Frustration, sondern aus Schöpfungskraft. Die völkischen, autoritären Bewegungen unserer Gegenwart sind aus dieser Perspektive keine Barbaren, sondern Regressionsphänomene. Sie wollen nicht Neues schaffen, sondern Altes restaurieren. Sie sind nicht am Werden interessiert, sondern an der Wiederherstellung eines imaginierten Gestern.

3. Die Erschöpfung der Werte

Nietzsche diagnostizierte den "Tod Gottes" als das Ende einer metaphysischen Ordnung, die jahrhundertelang das westliche Denken prägte. Dieser Tod war für ihn kein Grund zur Trauer, sondern eine Herausforderung: Die alten Werte haben ihre Verbindlichkeit verloren, und nun liegt es am Menschen selbst, neue zu schaffen. Doch genau an diesem Punkt hält die Gegenwart inne. Der "letzte Mensch", den Nietzsche in der Vorrede zu Also sprach Zarathustra karikiert, hat sich breitgemacht: bequem, sicherheitsorientiert, ironisch, abgeklärt. Die Möglichkeit des radikal Neuen wird als Risiko empfunden, nicht als Verheißung.

In einer Kultur der ständigen Selbstoptimierung, der Digitalisierung des Lebens und der moralischen Hyperüberwachung ist kaum Raum für das, was Nietzsche das "Chaos" nannte, aus dem ein tanzender Stern geboren werden kann. Alles ist geregelt, vermessen, bewertet. Aber nichts wird mehr gewagt.

4. Die wahren Barbaren: Schöpfer der Zukunft

Nietzsches Barbaren sind Gestalten des Aufbruchs. Sie kommen "aus der Zukunft" und bringen etwas mit, das sich der Gegenwart noch entzieht: neue Werte, neue Perspektiven, neue Möglichkeiten des Lebens. Dabei darf man sich diese neuen Menschen nicht als Superhelden oder Genies vorstellen. Vielleicht sind sie exzentrisch, vielleicht marginalisiert. Vielleicht handeln sie gar nicht laut, sondern beharrlich. Aber sie eint ein Zug: die radikale Abkehr vom Hergebrachten.

Man wird sie nicht in Talkshows finden, nicht in Parteiprogrammen, nicht in Influencer-Videos. Sie lassen sich nicht integrieren, weil ihr Denken jenseits des Integrierbaren liegt. Vielleicht sind es Künstler, die sich bewusst der Verwertung entziehen. Vielleicht Philosophen, die keine Wahrheit verkünden, sondern Denkbewegungen provozieren. Vielleicht auch Einzelgänger, die neue Formen von Gemeinschaft, Arbeit, Intimität erproben, ohne ideologische Vorgaben.

Ihre Barbarei besteht nicht in Gewalt, sondern in Unbeugsamkeit. Nicht in Zerstörung, sondern in Geburt.

5. Was heißt: Barbare sein?

Barbar zu sein heißt im 21. Jahrhundert: nicht mitzuspielen. Es heißt, sich der Dauerbeobachtung, dem digitalen Konformismus, dem moralischen Rigorismus zu entziehen. Es heißt, – wie Nietzsche es fordert –, "der Versuchung der Zeit widerstehen, sich ihr nicht unterwerfen". Ein Barbar denkt quer, nicht weil es Trend ist, sondern weil er anders sieht. Er lebt nicht außerhalb der Gesellschaft, aber auch nicht in ihr – sondern jenseits ihrer Selbstverständlichkeit.

Die Barbaren können auch Leser Nietzsches sein, wenn sie ihn nicht als Heiligen verehren, sondern als Sprengmeister. Wenn sie seinen Hammer nicht zum Zerschlagen anderer, sondern zur Prüfung ihrer eigenen Idole verwenden.

6. Ausblick: Das Unverhörte denken

"Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können" – dieses oft bemühte Nietzsche-Zitat ist kein poetischer Schmuck, sondern eine Kampfansage gegen die Saturiertheit unserer Kultur. Der Chaosbegriff ist bei Nietzsche nie nihilistisch. Er meint das Offene, das Werdende, das Noch-nicht-Festgelegte. Der Barbar ist derjenige, der diesen Zustand nicht fürchtet, sondern pflegt.

Wo also sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts? Vielleicht sind sie noch nicht sichtbar. Vielleicht sind sie noch in sich gekehrt. Vielleicht lesen sie gerade diesen Text. Was sie aus ihm machen, wird zeigen, ob sie wirklich Barbaren sind – oder doch nur Nachlassverwalter der Moderne.