Vater sein mit Nietzsche

Ein Gespräch zwischen Henry Holland und Paul Stephan

Vater sein mit Nietzsche

Ein Gespräch zwischen Henry Holland und Paul Stephan

20.12.25
Henry Holland & Paul Stephan
Nietzsche hatte mit großer Gewissheit keine Kinder und äußert sich in seinem Werk auch nicht besonders freundlich zum Thema Vaterschaft. Der freie Geist ist für ihn ein kinderloser Mann, die Erziehung der Kinder die Aufgabe der Frauen. Gleichzeitig dient ihm das Kind immer wieder als Metapher für den befreiten Geist, als Vorahnung des Übermenschen. Vermag er dadurch heutige Väter vielleicht doch zu inspirieren? Und kann man gleichzeitig Vater und Nietzscheaner sein? Henry Holland und Paul Stephan, beide Väter, diskutierten über diese Frage.

Nietzsche hatte mit großer Gewissheit keine Kinder und äußert sich in seinem Werk auch nicht besonders freundlich zum Thema Vaterschaft. Der freie Geist ist für ihn ein kinderloser Mann, die Erziehung der Kinder die Aufgabe der Frauen. Gleichzeitig dient ihm das Kind immer wieder als Metapher für den befreiten Geist, als Vorahnung des Übermenschen. Vermag er dadurch heutige Väter vielleicht doch zu inspirieren? Und kann man gleichzeitig Vater und Nietzscheaner sein? Henry Holland und Paul Stephan, beide Väter, diskutierten über diese Frage.

Das komplette, ungekürzte Gespräch haben wir parallel auch auf dem YouTube-Kanal der Halkyonischen Assoziation für radikale Philosophie publiziert (Teil 1, Teil 2).

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Abbildung 1: Zeichnung von Henry Hollands sechsjährigem Sohn Louis. Sie soll Vater und Sohn zeigen.

I. Unsere Vaterschaften

Paul Stephan: Wie kann man mit Nietzsche Vater sein? Hilft die Beschäftigung mit seiner Philosophie dabei, ein besserer Vater zu sein – oder auch nicht? Wir wollen über dieses Thema im Folgenden ganz ergebnisoffen diskutieren. Doch vielleicht sollten wir zunächst klären, was uns, davon abgesehen, dass wir Nietzsche-Forscher sind, überhaupt dazu qualifiziert, darüber zu sprechen. Wir werden nämlich auch von unseren persönlichen Erfahrungen ausgehen, da wir beide auch Väter sind. Henry, du bist derjenige von uns, der sozusagen „mehr Vater“ ist. Wie viele Kinder hast du und was ist der persönliche Hintergrund, von dem aus du auf dieses Thema blickst?

Henry Holland: Ich bin der Vater von vier Kindern, die jetzt zwischen sechs und 23 Jahre alt sind. Das heißt, ich bin zuerst mit 26 Vater geworden. Alle diese vier Kinder stammen von derselben Frau, meiner Frau Rebecca, das kann heutzutage natürlich auch ganz anders sein. Es sind zwei Jungen und zwei Mädchen. Vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist auch, dass wir eigentlich schon mit der Lebensphase des Kinderkriegens und der Erziehung von Kleinkindern abgeschlossen hatten, als 2018 Rebecca dann doch noch einmal schwanger wurde und 2019 unser jüngster Sohn Louis zur Welt kam. Dass Rebecca kurz vor ihrem 42. Geburtstag noch einmal Mutter geworden ist, ist heutzutage nicht so ungewöhnlich – zu Nietzsches Zeiten war das ganz anders. Aber es war trotzdem eine sehr schöne Überraschung für uns. – Aber wie steht es mit dir, Paul?

PS: Ich muss vorneweg betonen, dass wir dieses Gespräch am 30. Oktober aufzeichnen und erst kurz vor Weihnachten publizieren werden. Also, es ist so, dass ich einen Sohn habe, Jonathan – er ist jetzt drei, wird aber am 18. November vier werden –, und ich bin im Augenblick sehr aufgeregt und das Thema „Vaterschaft“ beschäftigt mich gerade auch persönlich sehr, weil meine Partnerin Luise im Augenblick schwanger ist mit unserem zweiten Kind. Jetzt ist es noch unterwegs, doch wenn wir das Gespräch veröffentlichen werden, ist es vielleicht schon so weit.1 Was wir jetzt schon wissen: Es wird eine Tochter sein, was mich tatsächlich sehr freut. Ich hätte auch kein Problem damit, der Vater von zwei Söhnen zu sein, das fände ich auch ganz toll, aber ich stelle es mir zumindest so vor, dass es vielleicht nochmal eine andere Erfahrung ist, ein Mädchen aufzuziehen.

HH: Ja, das kann ich gut nachvollziehen und ich habe mich damals sehr gefreut, dass das erste Kind ein Mädchen war. Das hört sich vielleicht wie eine essentialistische Sichtweise an, doch es ja auch aus einer konstruktivistischen Perspektive heraus betrachtet so, dass die Kinder notwendig beeinflusst von bestehenden Geschlechterrollen aufwachsen – das kann man einfach nicht verleugnen, auch wenn man es anders haben will. Ich habe selbst versucht, meinen Töchtern alle Freiheiten, alle Spielräume zur Verfügung zu stellen, die ich auch einem Jungen zur Verfügung gestellt hätte – aber trotzdem fällt mir doch auf in meinem eigenen Milieu: Die eher ‚schwierigen‘ Kinder sind doch mehrheitlich Jungen, diejenigen, die eher auffallen oder sich auflehnen, die sich sozial nicht anpassen möchten, die im Klassenzimmer aufbegehren. Auch wenn sich viele von uns von den bestehenden Geschlechternormen befreien möchten, ist doch davon auszugehen, dass diese Rollen noch ein langes Nachspiel haben und haben werden. Nietzsche formuliert das trefflich in der Fröhlichen Wissenschaft:

Nachdem Buddha todt war, zeigte man noch Jahrhunderte lang seinen Schatten in einer Höhle,  – einen ungeheuren schauerlichen Schatten. Gott ist todt: aber so wie die Art der Menschen ist, wird es vielleicht noch Jahrtausende lang Höhlen geben, in denen man seinen Schatten zeigt. – Und wir – wir müssen auch noch seinen Schatten besiegen!2

PS: Daran würde ich gerne anknüpfen, auch wenn uns das etwas von unserem eigentlichen Thema abbringt. Ein wichtiger Aspekt des Vaterseins ist für mich, dass man als Vater plötzlich ganz viele andere Eltern kennenlernt, die Kinder im selben Alter wie das eigene Kind haben. Und dabei kann man wirklich zahlreiche überraschende Beobachtungen und Erkenntnisse machen. Wobei hier natürlich gilt, was du auch schon meintest: Wir können nicht für ‚die Väter an sich‘ sprechen. Wir gehen hier von einem bestimmten Milieu aus, dem wir beide angehören, einem intellektuellen Mittelschichtsmilieu, dem vor allem Kulturschaffende und Akademiker angehören. Und in diesem Milieu wird gerade recht homogen die Auffassung vertreten, dass sehr stark darauf zu achten ist, die Kinder möglichst ‚gendersensibel‘ zu erziehen, d. h. man soll nach Möglichkeit keinen großen Unterschied machen zwischen Töchtern und Söhnen. Auch ich finde diese Entwicklung grundsätzlich sehr gut und habe mir das auch so vorgenommen – aber gerade vor diesem Hintergrund fand ich es doch sehr interessant zu beobachten, dass sich auch sehr kleine Kinder von ein, zwei Jahren, die also noch sehr ‚unerzogen‘, ungeprägt sind und auch von Eltern erzogen werden, die sehr darauf achten, nicht irgendwelchen Stereotypen zu folgen, sich oftmals sehr stereotyp verhalten. Nur ein Beispiel: Als mein Sohn ganz klein war, so ungefähr 1½, bin ich mit ihm einmal pro Woche zu einer musikalischen Früherziehung gefahren. Das war sehr schön. Es war eine Gruppe von etwa sechs, sieben Kindern, Jungen und Mädchen. Da war es wirklich ganz eindeutig so, dass es immer die Jungen waren, die im Zimmer herumgestreunt sind, die versucht haben, nach außen zu gehen und den Raum zu entdecken, die eher laut waren und aus Erwachsenensicht ‚Unsinn‘ gemacht oder auch mal gestört haben, die also wild waren, während die Mädchen fast immer bei ihrem Elternteil gesessen sind und eher ‚zu still‘ waren im Gegensatz dazu, unsicher und schüchtern.

Ich könnte jetzt viele solcher Beispiele anführen. Und natürlich kenne ich auch kleine Mädchen in meinem Bekanntenkreis, die sehr ‚wild‘ sind. Aber meine durchschnittliche Beobachtung ist wirklich, dass man schon in einem bemerkenswert frühen Stadium diese ganzen klischeehaften Unterschiede bemerken kann – und das eben auch bei Kindern, deren Eltern sehr ‚gendersensibel‘ sind. Diese Erfahrung hat mich zu dem Schluss geführt, dass es vielleicht doch einen größeren Einfluss der Biologie, der Gene, gibt, als man oftmals meint und behauptet. Klar, das ist schwer abzugrenzen von der Rolle der unbewussten Prägung, von der du sprachst. Man wird das nie eindeutig voneinander abgrenzen können und ich möchte hier auch gar nicht die Grundsatzdiskussion ‚Natur vs. Kultur‘ aufmachen – aber mich haben die erwähnten Erfahrungen eben doch zu einer etwas differenzierten Auffassung gebracht.

Abbildung 2: Zeichnung von Paul Stephans vierjährigem Sohn Jonathan, die ebenfalls ihn selbst mit seinem Vater darstellen soll.

II. Nietzsches problematisches Verständnis von Mann und „Weib“

HH: Vielleicht ist das ein guter Anlass, um auf Nietzsche zu sprechen zu kommen und die bestimmt schlechteste Seite von Nietzsche in Bezug auf das Thema Elternschaft, Mutterschaft, Vaterschaft. Wir könnten uns vielleicht von seinen schlechtesten ausgehend zu seinen geistreicheren und interessanteren Aussagen vorarbeiten. Es muss eben doch betont werden, dass Nietzsche an einigen Stellen mit biologistischen Statements auf den Tisch haut, wenn er etwa schreibt: „Alles am Weibe ist ein Räthsel, und Alles am Weibe hat Eine Lösung: sie heisst Schwangerschaft“3. Dieser Satz gehört wirklich zu Nietzsches zehn schlimmsten Aussagen. Da wirkt es – vor allem, wenn man diese Sätze isoliert betrachtet, was man nicht machen sollte – ja wirklich so, als ob die Frauen für Nietzsche nur dazu da sind, schwanger zu werden und durch diese biologische Fortpflanzung dem Allgemeinwohl zu dienen. Und die Frauen, die das nicht machen, sollen einfach ihren Mund halten.4 Also, es ist schon eine sehr frauenfeindliche Aussage. Wie gehst du, in Bezug auf das Thema Elternschaft, mit dieser ja doch sehr biologistischen Seite von Nietzsche um?

PS: Ja, ich sehe diese Seite genauso wie du. Sie zeigt einmal mehr die große Differenz, die uns von Nietzsche trennt. Und es gibt zig Stellen, wo er dementsprechend immer wieder die klare Ansicht äußert, dass Frauen für die Kindererziehung und das Kinderkriegen vor allem zuständig sein sollen, Männer hingegen sollen, wie es auch in der von dir zitierten Passage des Zarathustra heißt, „Krieger“ sein und sich um den Haushalt und die Kinder nicht sorgen. In einem Satz: „So will ich Mann und Weib: kriegstüchtig den Einen, gebärtüchtig das Andre“5. Und das führt uns vielleicht zum eigentlichen Hauptpunkt dieses Gesprächs: Ist es nicht eigentlich ein Widerspruch, in irgendeiner Hinsicht Nietzscheaner und Vater zu sein? Hat Nietzsche uns Vätern im 21. Jahrhundert, die wir uns sehr anders verstehen, überhaupt noch etwas zu sagen? Ich glaube, das gilt für uns beide und für die meisten Angehörigen unseres Milieus, dass wir eben ein ganz anderes Verständnis von Vaterschaft haben, wie es im späten 19. Jahrhundert so wahrscheinlich noch niemand vertreten hat: Dass man sich eben wirklich die Aufgaben der Fürsorgearbeit mehr oder weniger mit der Mutter teilt, auch wenn es um die ganz kleinen Kinder geht. Das sind ja Sachen, die vielleicht sogar noch vor 30 oder 40 Jahren noch vollkommen undenkbar gewesen wären, die vielleicht in anderen Milieus auch bis heute noch gar nicht so verbreitet sind, die aber in unserem Milieu schon sehr selbstverständlich geworden sind. Wenn Nietzsche diese Entwicklung mitbekommen könnte, würde er wohl, gelinde gesagt, die Hände über den Kopf schlagen und den endgültigen „Untergang des Abendlands“ diagnostizieren, die völlige „Verweiblichung“ und „Verweichlichung“6 der Männer, den finalen Triumph der ressentimentgetriebenen „allgemeinen Verhässlichung Europa’s“7. Siehst du das ähnlich, Henry?

Abbildung 3: Henry Holland (Mitte) mit seinem Bruder Robert (links) und seinem Vater (rechts) auf einem Campingplatz in Frankreich.

III. Vaterschaft und Authentizität

HH: Mir scheint es so zu sein, dass wir das doch machen können, dass wir Nietzscheanerinnen und Nietzscheaner sein können und doch zugleich progressive Eltern im 21. Jahrhundert. Ich würde in dieser Hinsicht tatsächlich wieder – es kommt einfach immer wieder hoch – auf den Authentizitätsbegriff zurückkommen. Du kennst dich damit viel besser aus als ich, schließlich hast du zu diesem Thema gerade erst eine ganze Doktorarbeit geschrieben und abgegeben. Authentizität ist ein ganz zentrales Konzept für Nietzsche und ich meine, dass das, was die Kinder vor allem bei uns Eltern suchen, sowohl bei den Vätern als auch bei den Müttern, eben Authentizität ist. Bei den Vätern allerdings in etwas anderer Form, denn sie neigen doch eher dazu, abwesend in der Beziehung zu sein und da es seitens des Kindes die Erwartung, dass dieser Elternteil authentisch bleibt. Und das heißt: Nicht nur statisch ist, sondern nach Authentizität strebt, durchaus im Sinne von Nietzsches Idee der Selbstwerdung als kreativer, unabschließbarer Prozess der Selbstschöpfung.

Ich versuche das mal anhand meiner ältesten Tochter, Alma, konkret zu machen. Also sie teilt mit mir ganz klar meine linkspolitischen Ansichten, die erwartet schon auf jeden Fall, vielleicht sogar als Grundbedingung, dass ich mich nicht geschlechtsdiskriminierend oder sonst wie diskriminierend äußere – und das bin ich auch eigentlich nicht, das tue ich nicht. Aber das ist nicht ihre Haupterwartung an mich, dass ich mich, etwas platt ausgedrückt, immer ‚politisch korrekt‘ ausdrücke, sondern dass ich in meinem Wesen, in meinem Handeln, auch außerhalb der Familie, authentisch bleibe und dass diese Authentizität auf irgendeine Weise abrufbar und auch überprüfbar ist.

Um es vielleicht noch deutlicher zu machen und um die Brücke zu meinem eigenen Vater zu schlagen, der noch am Leben ist: Der ist noch in der Endphase des britischen Imperialismus aufgewachsen, als noch ganz andere Werte galten. Da war einer der Hauptwerte diese Vorstellung von „Dienst“. Man steht, man lebt das Leben im Dienst der anderen – dafür ist man da. Also man ist da als Familienvater, um das Geld zu verdienen, indem man im äußeren Leben einen ordentlichen Beruf ausübt. Das „Selbst“ kommt dabei gar nicht so sehr ins Gespräch. Also es gibt eine bestimmte Schicht von britischen Männern, da wäre das allerletzte, worüber die sich unterhalten würden das eigene Selbst. Darüber spricht man quasi nicht, da geht es doch eher um dieses Dienstprinzip. Da habe ich mich als junger Mann und als junger Vater oft gefragt: Was ist eigentlich das authentische Selbst von meinem Vater hinter dieser Existenz im Dienst der anderen? Was ist sein authentischer Kern? Und da blieb mir oft nichts als ein Fragezeichen, das ist schon bemerkenswert.

PS: Ja, das ist sehr interessant und da haben wir anscheinend eine sehr ähnliche Erfahrung gemacht. Wir kamen ja auch schon im Vorgespräch kurz darauf zu sprechen, dass es heutzutage sehr schwierig geworden ist, ein authentisches Verständnis der eigenen Vaterschaft zu gewinnen, weil die vorhandenen Rollenbilder, an denen man sich in seinem eigenen Selbstentwurf orientieren und abarbeiten könnte, sehr fluide geworden sind. Früher war es sehr klar: Der Vater ist der, der das Geld verdient. Da gibt’s ja zum Beispiel diese Fernsehserie Breaking Bad, wo das mehrmals vorkommt: „A man provides“, „ein Mann versorgt“, selbst wenn ihn diejenigen, die er versorgt, noch nicht einmal respektieren oder lieben. Er kümmert sich gar nicht groß um die Kinder. Wir heute versuchen, ein anderes Verständnis zu entwickeln von einem anwesenden und sich kümmernden, liebevollen Vater.8

Bei meinem Vater war das nun sehr ähnlich wie bei deinem. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mich für das Thema der ‚Authentizität‘ so interessiere. Man muss dazu wissen, dass mein Vater in der DDR groß geworden ist. Da gibt’s ja dieses Schlagwort vom „homo sovieticus“, das der sowjetische Philosoph und Dissident Alexander Sinowjew in den 80ern geprägt hat, um den extrem angepassten Menschentyp zu beschreiben, der in den Staaten der ‚sozialistischen Welt‘ gefordert und gefördert wurde. Quasi als hyperopportunistische Realisierung von Nietzsches Dystopie des „letzten Menschen“, der sich am Ende der Geschichte wähnt; ein Mensch ohne inneres Zentrum, der sich um Authentizität noch nicht einmal bemüht, sondern ganz im Dienst für das Gemeinwesen aufgeht.9 Ich glaube, dieses Konzept lässt sich auch auf die DDR anwenden. Noch stärker als im Westen war die Erziehung in der DDR sehr stark auf das Ideal des „Dienst“ ausgerichtet, ich finde dieses Stichwort sehr gut. Man sollte nicht von sich selbst ausgehen; es gab bestimmte gesellschaftliche Erwartungen und die sollte man erfüllen. Ich habe meinen Vater, der auch noch am Leben ist, auch immer als sehr unauthentischen Menschen wahrgenommen. Er ist nach wie vor ein Rätsel für mich in vielerlei Hinsicht, er ist ein sehr ironischer Mensch, der fast nie über seine Gefühle spricht und darüber, was ihn eigentlich umtreibt. Man hat den Eindruck, dass er eben kein gutes Verhältnis zu sich selbst hat, und das ist mir auch schon als Kind aufgefallen und hat mich auch, meine ich, dahin geführt zu versuchen, ein anderer Mann, ein anderer Vater zu werden. Mein Vater hat mir da insofern eher als negatives Beispiel eigentlich gedient, auch wenn ich ihm nichts vorwerfen will. Gerade, als ich ein kleiner Junge war, war er auch ein sehr guter Vater und hat sich durchaus viel gekümmert. Aber ich habe eben auch schon sehr früh dieses Defizit, diese Distanz zu ihm gespürt.

Und ja, es gibt zwischen diesen Themen ‚Authentizität‘ und ‚Vatersein‘ in der Tat eine enge Verbindung. In meiner Doktorarbeit taucht es jedenfalls oft auf, öfter, als ich es am Anfang meiner Forschungsarbeit für möglich gehalten hätte. Aber das führt uns vielleicht zu einem nochmal etwas anderen Männlichkeitsverständnis. Es gibt eben, wie bereits angedeutet, zum einen dieses Verständnis vom Mann als Diener, der sich für das Gemeinwesen opfert, wie es etwa Hegel artikulierte, aber dann eben auch das Verständnis vom Mann als jemand, der vollkommen stur nur an sich selbst denkt, der seine eigene Selbstverwirklichung über alles stellt. Und das ist eben die Vorstellung von Männlichkeit, die man bei Nietzsche eigentlich findet, und um die sein gesamtes Verständnis von Authentizität kreist – was aus meiner Sicht ein riesiges Problem darstellt. Man betrachte nur die folgende Stelle aus der Genealogie:

Dergestalt perhorreszirt [weist mit Abscheu zurück] der Philosoph die Ehe sammt dem, was zu ihr überreden möchte, – die Ehe als Hinderniss und Verhängniss auf seinem Wege zum Optimum. Welcher grosse Philosoph war bisher verheirathet? Heraklit, Plato, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Schopenhauer – sie waren es nicht; mehr noch, man kann sie sich nicht einmal denken als verheirathet. Ein verheiratheter Philosoph gehört in die Komödie, das ist mein Satz: und jene Ausnahme Sokrates, der boshafte Sokrates hat sich, scheint es, ironice verheirathet, eigens um gerade diesen Satz zu demonstriren. Jeder Philosoph würde sprechen, wie einst Buddha sprach, als ihm die Geburt eines Sohnes gemeldet wurde: „Râhula ist mir geboren, eine Fessel ist mir geschmiedet“ (Râhula bedeutet hier „ein kleiner Dämon“); jedem „freien Geiste“ müsste eine nachdenkliche Stunde kommen, gesetzt, dass er vorher eine gedankenlose gehabt hat, wie sie einst demselben Buddha kam — „eng bedrängt, dachte er bei sich, ist das Leben im Hause, eine Stätte der Unreinheit; Freiheit ist im Verlassen des Hauses“: „dieweil er also dachte, verliess er das Haus“. Es sind im asketischen Ideale so viele Brücken zur Unabhängigkeit angezeigt, dass ein Philosoph nicht ohne ein innerliches Frohlocken und Händeklatschen die Geschichte aller jener Entschlossnen zu hören vermag, welche eines Tages Nein sagten zu aller Unfreiheit und in irgend eine Wüste giengen: gesetzt selbst, dass es bloss starke Esel waren und ganz und gar das Gegenstück eines starken Geistes. Was bedeutet demnach das asketische Ideal bei einem Philosophen? Meine Antwort ist – man wird es längst errathen haben: der Philosoph lächelt bei seinem Anblick einem Optimum der Bedingungen höchster und kühnster Geistigkeit zu, – er verneint nicht damit „das Dasein“, er bejaht darin vielmehr sein Dasein und nur sein Dasein, und dies vielleicht bis zu dem Grade, dass ihm der frevelhafte Wunsch nicht fern bleibt: pereat mundus, fiat philosophia, fiat philosophus, fiam!…10

Es gilt also: Wenn auch die Welt zugrunde ginge, die Philosophie soll leben, der Philosoph soll leben, ich soll leben. Ich denke, in diesem Zitat steckt ganz viel von Nietzsches Freiheits- und Authentizitätsverständnis drin, was eben gar nicht mit der Vaterschaft vereinbar ist. Der Sohn wird hier nur als „kleiner Dämon“ beschrieben – und es gibt viele derartige Stellen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Nietzsche, der ja auch selbst bekanntermaßen kein Vater war, davon auch gar nichts wissen will. Er hält das Vatersein mit der philosophischen, aber auch der authentischen Existenz für vollkommen unvereinbar.

Abbildung 4: Paul Stephan in den frühen 90ern mit seinem Vater in Horgau (Bayern), im Hintergrund steht das Haus, in dem die Familie damals wohnte.

IV. Philosophen als Väter – eine gute Idee?

HH: Ja, das ist eine interessante Passage. Wobei Nietzsches These empirisch gesehen anfechtbar ist. Hegel hatte etwa zwei legitime Söhne und einen weiteren unehelichen,11 Marx hatte sogar sieben Kinder mit seiner Frau Jenny, wovon drei das Erwachsenenalter erreichten.12 – Wobei es strittig ist, ob Marx auch ein guter Vater war.

PS: Ich würde Nietzsche da ein Stück weit in Schutz nehmen wollen. Es ist schon auffällig, dass es so viele Philosophen gibt, die kinderlos geblieben sind, teilweise als Junggesellen gelebt haben, teilweise vielleicht ein Kind hatten.13 Also du mit deinen vier Kindern bist da auf jeden Fall schon auffällig, würde ich sagen. Heutzutage noch mehr. Aber im 18./19. Jahrhundert war es ja eher die Regel, dass man fünf oder sechs Kinder hatte, sehr große Familien – und da waren die Philosophen dann doch meistens eher eine Ausnahme. Dass dem so ist, hat natürlich auch wieder mit dem Bild zu tun, dass der Mann der Versorger der Familie sein soll und klar – wie auch heute noch, aber damals war’s eben auch nicht sehr anders –, dieser Pflicht nachzukommen fällt Philosophen oft sehr schwer.

HH: Wobei ich mich gar nicht als Philosophen bezeichnen würde, sondern als jemanden, der sich für Philosophie interessiert und damit arbeitet! – Meine Antwort jedenfalls auf diese Nietzsche-Passage wäre, um es etwas ökonomischer und neutraler anzugehen, dass er, wenn er in einem bürgerlichen Haushalt mit Ehe und Kindern gelebt hätte, so einfach nicht hätte schreiben können. Sein Schreibstil, der Schreibprozess, seine Texte wären anders geworden. Diese Arbeitsweise, die von sehr kurzen Perioden der nächte- und tagelangen Produktivität geprägt war und dann langen Phasen, in denen Nietzsche so stark unter seinen Krankheitssymptomen litt, dass er rein gar nichts zu Papier bringen konnte – diese ‚Ökologie‘ könnte ein Vater in einem halbwegs ‚normalen‘ Umfeld unmöglich so durchziehen. Den umgekehrten Fall hat man etwa bei den Familienvätern Hegel und Marx, deren Hauptwerke viel langsamer zustande kamen und entsprechend auch viel gesättigter sind, eine ganz andere Form und Stringenz aufweisen.

Bezogen auf Nietzsches Behauptung, dass so viele große Philosophen unverheiratet geblieben sind, möchte ich einfach die klassische marxistische Frage stellen: Wer hat dann die Reproduktionsarbeit gemacht? Also nicht nur im Sinne von dem Kinderkriegen und der Erziehung, sondern auch: Wer hat das Mittagessen gekocht? Wer hat geputzt? Wer hat die Wäsche gewaschen? Und die Antwort auf diese Frage, auch im Falle Nietzsches, wird niemanden überraschen: Es waren zu 95 % Frauen, meist ungenannte. Ich denke etwa an Alwine Freytag, die langjährige Dienerin im Haushalt der Mutter, die dabei half, Nietzsche in seinen letzten Jahren zu pflegen – wer kennt die schon? Es gibt immer mehrere Menschen, die diese ganze reproduktive Arbeit im Hintergrund erledigt haben, so dass der „große Philosoph“ seine Werke schreiben konnte.

Das ist für manche vielleicht selbstverständlich, doch geht es in der Philosophiegeschichtsschreibung oftmals doch verloren. Und darin liegt, glaube ich, auch begründet, warum wir solche Werke wie diejenigen Nietzsches vielleicht nicht mehr sehen werden. Es gibt einfach keine Frau und keinen Mann, niemanden, der sich so eine Lebensführung noch leisten könnte – das meine ich nicht rein ökonomisch, sondern von der Haltung her, wofür man sich selbst verantwortlich fühlt und wofür nicht.

PS: Ja, Nietzsche war viele Jahre lang auf die Pflege von Frauen vollkommen angewiesen, als Kind sowieso und dann, als er geistig umnachtet war, wieder. Kürzlich habe ich erst bei der letzten Jahrestagung der Nietzsche-Gesellschaft14 einen sehr interessanten wie auch unterhaltsamen Vortrag gehört über den, gescheiterten, Plan Nietzsches, sich einen tragbaren Ofen zu kaufen, gehalten von Ralf Eichberg. In dem wurde anhand des Briefwechsels zwischen seiner Mutter und ihm sehr deutlich, dass es allerdings auch ein Problem für den Rentier Nietzsche war, dass er sich Dienstboten nicht so richtig leisten konnte, aber zur gleichen Zeit auch einfach nicht kochen konnte – sehr zur Besorgnis seiner Mutter. So privilegiert war seine Position also nicht – aber prinzipiell gebe ich dir natürlich Recht. Das gilt ja ganz allgemein, dass die philosophische Arbeit seit Jahrhunderten zu einem großen Teil auf der Arbeit von Frauen im Hintergrund beruht, sei es als Dienstbotinnen, aber auch als Sekretärinnen oder sogar ungenannte Co-Autorinnen.

Wenn es nun um die heutige Philosophie geht, ist das natürlich die Frage: Ist ein Fortschritt oder vielleicht auch ein Rückschritt? Ja, Nietzsches extravaganter Schreibstil hat etwa mit der fast schon stereotypen Männlichkeit zu tun, die er in seinen Werken nicht nur propagiert, sondern die dieser Stil auch selbst performiert. Nur ist es eben eine unreife, puerile Männlichkeit. In der Rede Von alten und jungen Weiblein, die wie bereits zitierten, geht ja eigentlich hervor, dass die Frauen nicht nur Kinder bekommen und erziehen sollen, ihre Aufgabe ist umfassender:

Der Mann soll zum Kriege erzogen werden und das Weib zur Erholung des Kriegers: alles Andre ist Thorheit.
Allzusüsse Früchte – die mag der Krieger nicht. Darum mag er das Weib; bitter ist auch noch das süsseste Weib.
Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder, aber der Mann ist kindlicher als das Weib.
Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!
Ein Spielzeug sei das Weib[.]

Also in Nietzsches Vorstellung bleibt der Mann zeitlebens ein Kind, soll auch gar nicht erwachsen werden. Und klar: Diese Kindlichkeit, diese Unreife, die man sich bewahrt, kann, wie im Falle Nietzsches und in vielen anderen Fällen auch, ein großes kreatives Potenzial freisetzen. Aber ich meine schon, dass es der Philosophie auch nicht schlecht tut, von einer etwas reiferen und verantwortungsvolleren Haltung auszugehen, wie man sie als Vater ja automatisch an den Tag legen und entwickeln muss. Das würde ich auch für mein eigenes Denken, für meine eigene philosophische, intellektuelle Arbeit so sagen. Also es ist natürlich ein Verlust, Vater zu werden, nicht nur ein Zeitverlust, quantitativ gesehen, sondern auch qualitativ gesehen ein Konzentrationsverlust. Man kann eben nicht mehr nächtelang durchschreiben, wenn man jeden Morgen vom Kind geweckt wird oder es in die Kita bringen muss. Man wird mehr und mehr in eine verantwortungsvolle und auch sorgende Position gedrängt, die dem Denken jedoch nicht unbedingt hinderlich ist, sondern eher zu einer Vertiefung des Denkens führt, mit der insbesondere einhergeht, weniger stark von sich selbst her zu denken, sondern sich wirklich auf diese Beziehung zum anderen Wesen einzulassen – und ich sehe das eigentlich sowohl für mich als Person als auch für mich als Intellektuellen eher als große Bereicherung und als Gewinn des Vaterseins. Es stimmt einfach nicht, wie Nietzsche mantrahaftig verficht, dass eine „große Kultur“ notwendig nur so beschaffen sein kann, dass sich eine kleine Kaste von „Herren“ unbesorgt um die kleinen Dinge des Lebens auf dem Rücken von Millionen „Sklaven“ und vor allem eben „Sklavinnen“ auslebt – dies führt zu einer kastrierten Kultur, dies führt genau zu jener Dekadenz und Lebensfremde, vor der Nietzsche so wortreich warnt; und genau weiß, dass er das selbst ist: Ein typischer décadent, das tragikomische Ergebnis eines letzten Aufblühens einer schon zu seiner Zeit im Untergang befindlichen Kultur, die auf Ausbeutung und Abtrennung basierte. Der Ausweg aus der kulturellen Dekadenz kann nur in einer nichtdekadenten Lebensführung liegen – hinein in die Produktion und eben auch die Reproduktion; Überwindung der Trennung von Kopf- und Handarbeit – doch Nietzsche vermochte eine solche Option allenfalls zu erahnen, wenn er neidisch auf die „gebärende“ Fähigkeit der Frau blickt und sie zur Metapher authentischer kreativer Schöpfung erhöht. Als fürsorgender Vater hätte er daran auch auf einer ganz nichtmetaphorischen Ebene teilhaben können. – Wobei ich das nicht als moralische Kritik verstanden wissen möchte, schließlich wäre Nietzsche ein anderes Leben angesichts seiner Krankheit ja kaum möglich gewesen.

Abbildung 5: Eine typische bürgerliche Vater-Sohn-Beziehung in der Mitte des 19. Jahrhunderts? Vater und Sohn (1861) vom Schweizer Maler Frank Buchser (Quelle).

V. Nietzsches persönliche Erfahrungen

HH: Ja, dieses Stichwort vom ‚Denken über die Beziehungen zu anderen Menschen‘ möchte ich gerne aufgreifen. Wobei ich mich schwer tue, Nietzsches Stil und Haltung als ‚unreif‘ zu bezeichnen. Das ist tatsächlich eine Herausforderung, denn wenn man dieses ‚Halbgare‘ und ‚Unreife‘ nicht hätte, wäre es wiederum nicht Nietzsche, sein Werk hätte nicht dieses Authentische, was es so einzigartig macht. Es ist eben wirklich Nietzsches Werk.

Aber zurück zum Denken in und über Beziehungen. Dieses tiefere Denken in und über Beziehungen zu anderen Menschen oder über die Gesellschaft, über politische Formen – da würde ich zum Beispiel schon sagen, dass da Hegel mehr zu sagen hat als Nietzsche, wenn es etwa um das Verhältnis zwischen dem Individuum und dem Staat geht, was, wie ich glaube, ein wichtiges philosophisches Thema bleibt. Nietzsche ist an einem genuinen Gesellschaftsdenken gar nicht interessiert, das ist nicht sein Thema.

Wie du ja schon angedeutet hast: Nietzsche hat eben, ganz im Sinne seiner Lehre vom amor fati, aus der Not eine Tugend gemacht. Nietzsche hatte es sehr schwer in menschlichen Beziehungen. Er pflegte kaum solche, die man überhaupt in irgendeinem Sinne als ‚normal‘ bezeichnen könnte, erst recht nicht, wenn sie irgendeine sexuelle Komponente hatten. Das zeigt vielleicht am deutlichsten seine kurze Freundschaft mit Lou Salomé. Ihm ging vielleicht einfach die Fähigkeit dazu ab, langanhaltende Beziehungen zu führen, vor allem romantische und erst recht erotische – und ihm gelingt es, aus diesem Zufall eine ganze Philosophie zu schaffen. Diese Umwertung von philosophischen Zufällen zu Philosophenem scheint mir ein allgemeines Charakteristikum von Nietzsches Werk zu sein. Warum auch nicht? Aber das wirft natürlich die Frage auf, was andere Menschen daraus machen können.

Vielleicht sollten wir vor diesem Hintergrund auch auf Nietzsches eigenes Verhältnis zu seinem Vater zu sprechen kommen. Das scheint mir für unser Thema ganz zentral zu sein. Dieser starb ja, als Nietzsche fünf Jahre alt war, also wirklich sehr früh. Diese Beziehung war aber durchaus intensiv. Der kleine Nietzsche war der einzige, dem es erlaubt war, sich im Arbeitszimmer seines Vaters aufzuhalten, während dieser, ein evangelischer Pastor, seine Predigten geschrieben und sich um die schriftliche Gemeindearbeit gekümmert hat. Vielleicht, weil er im Gegensatz zu vielen anderen Kleinkindern sehr ruhig gewesen ist, nicht so arg gestört hat. Wobei das ja auch auffällig ist. Es gibt wenige Anzeichen dafür, dass der kleine Nietzsche viel mit anderen Kleinkindern gespielt und sich ausgetobt hat. Heutzutage hätte ihn sein Vater vielleicht eher zum Therapeuten mitgenommen – und der frühe Tod des geliebten Vaters hat diese ungewöhnliche Veranlagung beim kleinen „Friedrich“ sicher noch verstärkt.

Es gibt da ein für unser Thema sehr einschlägiges Zitat, das vom Verlassenwerden durch den eigenen Vater handelt, von dessen Abwesenheit und davon, wie sehr diese Erfahrung den frühen Nietzsche prägte. Es handelt sich um eine Kindheitserinnerung von Nietzsche, die er kurz vor seinem 14. Geburtstag niederschrieb, in einer der bemerkenswert zahlreichen autobiographischen Schriften aus seiner Jugendzeit. Es geht darin um die Zeit nach dem Tod seines Vaters und den kurz darauf folgenden Tod seines kleinen Bruders Ludwig Joseph:

In der damaligen Zeit träumte mir einst, ich hörte in der Kirche Orgelton wie beim Begräbnis. Da ich sah, was die Ursache wäre, erhob sich plötzlich ein Grab und mein Vater im Sterbekleid entsteigt demselben. Er eilt in die Kirche und kommt in kurzem mit einem kleinen Kinde im Arm wieder. Der Grabhügel öffnet sich, er steigt hinein und die Decke sinkt wieder auf die Öffnung. Sogleich schweigt der rauschende Orgelschall und ich erwache. – Den Tag nach dieser Nacht wird plötzlich Josephchen unwohl, bekommt die Krämpfe und stirbt in wenig Stunden. Unser Schmerz war ungeheuer. Mein Traum war vollständig in Erfüllung gegangen. Die kleine Leiche wurde auch noch in die Arme des Vaters gelegt.15

Klar, man kann nicht wissen, ob das eine echte Erinnerung ist und wie viel Nietzsche da schon als Jugendlicher poetisch hinzugedichtet hat angesichts seiner lyrischen Neigung. Aber trotzdem ist eine Erinnerung, in der es darum geht, verlassen worden zu sein und um Abschied – und sie wirft bei mir die Frage auf, wie sehr das Nietzsche auf eine Philosophie gebracht hat, die sich sehr um den „starken Einzelnen“ dreht, in der es zur Tugend gemacht wird, dass man sich abkapselt, dass man sich nicht auf den anderen verlassen sollte, dass man als Mann nicht heiraten und eben keine Kinder bekommen sollte. Und da scheint mir ein diametraler Gegensatz zu unserem Verständnis von Vaterschaft bestehen, in dem es vor allem darum geht, für das Kind da zu sein, für Gespräche da zu sein, aktiv mit dem Kind zu spielen, also die Gestaltung einer aktiven Beziehung zum Kind.

PS: Ja, die Abwesenheit des Vaters wird ja in so gut wie allen biographischen Texten zu Nietzsche als wesentlicher Faktor seiner persönlichen Entwicklung angegeben und ich bin auch ganz einverstanden damit. Vielleicht gibt es in der Tat auch, natürlich unbewusst, verdrängt, viel Enttäuschung und Wut, mit Nietzsche selbst gesprochen: Ressentiment, gegenüber dem Vater. Denn als Kind erlebt man ein solches Ereignis womöglich gar nicht so sehr als Schicksalsschlag, sondern so, als hätte einen das verstorbene Elternteil bewusst im Stich gelassen. Mit dieser Erfahrung hat man das ganze Leben lang zu kämpfen. Und auch im Falle Nietzsches mag das ein entscheidender Grund sein, warum er ja, man muss es so deutlich sagen, wirklich generell scheitert in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Also was ich an dieser Stelle auch ganz klar betonen möchte: Ich bin natürlich nicht der Auffassung, dass man unbedingt Vater werden muss, um als Mann in ein fürsorgliches, verantwortungsvolles Verhältnis zu anderen zu treten, es gibt da natürlich viele andere Formen, das zu realisieren. Die Vaterschaft ist eine davon, eine romantische Zweierbeziehung natürlich auch, es gibt da sehr viele Möglichkeiten. Aber man kann bei Nietzsche ja durchaus davon sprechen, dass er in dieser Hinsicht ganz generell versagt hat. Also es gibt kein Beispiel fast in seinem Leben für eine wirklich gelungene zwischenmenschliche Beziehung über einen längeren Zeitraum auf Augenhöhe – was natürlich absolut traurig ist, aber auch ein gewisses Licht auf sein Denken werfen sollte.

Und dann gibt es auch noch diese etwas komische Geschichte mit Lou Salomé. Da liegt es ja nahe, Nietzsche zu kontern: Er sagt, der verheiratete Philosoph gehöre in die Komödie – aber noch viel mehr gehört ja dorthin vielleicht der Philosoph, der eine größere Anzahl von gescheiterten Heiratsanträgen hinter sich hat. Also er wollte es jedenfalls zeitweilig durchaus. Wobei man hier auch sehen muss, dass aus Briefen immer wieder hervorgeht, dass er sich vor allem auch aus pragmatischen Gründen verheiraten wollte, um materiell besser versorgt zu sein – oder auch, um quasi eine ‚kostenlose Pflegerin‘ oder Assistentin zu haben. Wobei das im Falle Lou Salomés sicherlich noch etwas Anderes ist, die sah er durchaus auch als Austauschpartnerin auf Augenhöhe und wahrscheinlich auch als romantisch-erotisches Objekt der Begierde in irgendeiner Form – wobei ich jetzt das Thema von Nietzsches genauer sexueller Orientierung gar nicht aufmachen will, zumal es auf unserem Blog ohnehin schon ausgiebig thematisiert wurde.16 Aber der Pragmatismus, bisweilen geradezu Zynismus, in Sachen Ehe, den er in seinen Briefen bisweilen durchscheinen lässt, spricht jedenfalls nicht gerade für ihn.17

Aber, wie immer bei Nietzsche: Auch bei diesem Thema gibt es eine Stelle im Werk, wo er genau das Gegenteil vertritt. Ich habe wenigstens eine einzige gefunden aus seiner mittleren Schaffensphase, eine kurze Notiz aus dem Nachlass von 1881, wo es heißt:

Nachkommen haben – das erst macht den Menschen stätig, zusammenhängend und fähig, Verzicht zu leisten: es ist die beste Erziehung. Die Eltern sind es immer, welche durch die Kinder erzogen werden, und zwar durch die Kinder in jedem Sinne, auch im geistigsten. Unsere Werke und Schüler erst geben dem Schiffe unseres Lebens den Compaß und die große Richtung.18

Sofern ich nichts übersehen habe, hat es diese Stelle eben auch nicht ins veröffentlichte Werk geschafft, aber ich finde sie wirklich großartig. Sie entspricht auch meiner eigenen Haltung viel eher als die fast schon etwas gruselige Passage aus der Genealogie, aus der ich oben zitiert habe. Dass auch die Kinder den „Erzieher erziehen“, dass Erziehung generell als ein Wechselspiel verstanden werden muss, als ein Reifungsprozess, in dem auch die Eltern erst reif werden – das finde ich schon einen sehr klugen Gedanken. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung auch auf jeden Fall bestätigen, dass das so ist, und ich würde daher schon behaupten, dass es Nietzsche sehr gut getan hätte, diesen weiteren Schritt der Erziehung noch machen zu dürfen. Wie gesagt: Das ist keine moralische Kritik, das war ja eher sein Schicksal und er hat es sicherlich verstanden, aus diesem Schicksal das Beste zu machen und hat sich dann eben ex post eine philosophische Rechtfertigung dafür überlegt. So, wie die meisten Philosophen.

Ich sehe da zwei mögliche Szenarien. Einmal, dass Nietzsche als Vater aufgehört hätte, sich mit philosophischen Themen zu beschäftigen und sich wirklich nur noch ums „Versorgen“ gekümmert hätte – oder, dass er seine Philosophie trotzdem weitergeführt hätte und vielleicht wären sogar noch bessere Bücher dabei herausgekommen, wenn es ihm gelungen wäre, diesen kindlich-narzisstischen Aspekt, den er auf jeden Fall sehr stark hat, und eine etwas verantwortungsvollere Sichtweise auf die Gesellschaft, auf das große Ganze, in die man als Vater ja geradezu hineinerzogen wird, zusammenzuführen. Vielleicht wäre er dann wirklich der größte Philosoph des 19. Jahrhunderts geworden. Es ist möglich, oder?

HH: Ja, es ist möglich und mir gefällt dieses Gedankenspiel sehr. Wobei ich natürlich die zweite Option präferieren würde. Wenn er jemanden gefunden hätte, auf Augenhöhe, wenn ihm das gelungen wäre, wäre bestimmt ein sehr anderes Werk entstanden, vielleicht ein wesentlich reiferes Werk.

Was ich an dieser Stelle noch wichtig finde zu erwähnen: Was waren eigentlich Nietzsches Begegnungen als Erwachsener mit kleinen Kindern? Da gibt es nicht viele, alle nennenswerten Begegnungen fanden im Haushalt der Wagners statt, ab 1869, als Nietzsche gerade seine Professur in Basel angetreten hatte und regelmäßig in den Landsitz der Wagners im naheliegenden Tribschen eingeladen worden war. Cosima war zu diesem Zeitpunkt noch mit ihrem ersten Mann Hans von Bülow verheiratet, aber Richard Wagner und sie waren bereits seit 1864 liiert und lebten seit 1867 zusammen, hatten sogar mit der Gründung einer gemeinsamen Familie begonnen mit zwei Töchtern, Isolde (geb. 1865) und Eva (geb. 1867). Im Mai 1869 besuchte Nietzsche Tribschen zum ersten Mal und schon im Juni kam Siegfried, das dritte gemeinsame Kind des Paares, zur Welt. Und hier wird nun interessant: Die Biographin Sue Prideaux19 stellt es tatsächlich so dar, dass Nietzsche so lebensfern im Alltag gewesen ist, dass er es quasi nicht mitbekommen hat, dass Cosima schwanger war, als er die Wagners im Mai besuchte – was schon ein Kunststück gewesen wäre, eigentlich kann das gar nicht so gewesen sein. Und es sei sogar so gewesen, dass Nietzsche dort war in der Nacht, als Siegfried geboren wurde, und er habe das einfach gar nicht mitbekommen, nicht einmal die Schreie, die damit sicherlich einhergegangen sind. Er habe die Geburt erst realisiert beim Frühstück, als der neue Anwesende nicht mehr zu übersehen war. – Soweit jedenfalls die Version der Ereignisse, wie Prideaux sie erzählt. Und auch wenn das möglicherweise eine Übertreibung ist, spiegelt diese Anekdote doch sehr gut etwas wider von Nietzsches großer Weltfremdheit.

PS: Ja, er war bestimmt nicht die alleremphatischste Persönlichkeit, hat immer etwas in seiner eigenen Welt gelebt, das kann man sich sehr gut vorstellen.

HH: Wobei Cosima und vor allem Richard später zusammen ernsthaft mit dem Gedanken spielten, dass Nietzsche eine Art Erzieherrolle für Siegfried übernehmen sollte. Im Jahr 1872 äußert Wagner in zwei Briefen Nietzsche gegenüber solche Planspiele und geht dabei so weit, angesichts seines fortgeschrittenen Alters Nietzsche als eine Art Ersatzvater für „Fidi“ ins Spiel zu bringen – und entsprechend Nietzsche selbst als Ersatzsohn Wagners.20 Allerdings zeigte Nietzsche daran kein Interesse, denn beide Male ignorierte er das Ansinnen seines „geliebten Meisters“, wie er Wagner in dieser Zeit noch nannte, einfach.21 Also es scheint so, dass Nietzsche seine wiederholten Besuche in Tribschen inmitten eines Haushalts von kleinen tobenden Kindern doch genossen hat, dass er jedoch keinen Weg gefunden hat, diese Erfahrung in seiner eigenen Biographie weiter zu vertiefen.

PS: Ja, ich glaube, eine solche Beziehung zu einem Kind aufzubauen hätte Nietzsche auf jeden Fall gutgetan. Wobei man hier auch sehen muss: Die Wagners hatten Nietzsche gegenüber nicht immer die besten Intentionen. Christian Saehrendt spricht in einem Artikel über die Beziehung Nietzsche/Wagners auf unserem Blog auch von einer „schrecklich netten Familie“, in die der junge Professor sich da begab. Vielleicht ging es Richard Wagner auch bei diesem Plan darum, Nietzsche einfach nur auszunutzen – aber vielleicht hatte er auch gespürt, dass es Nietzsche gefördert hätte, in eine Art Vaterrolle zu schlüpfen.

HH: Ich denke, wir sollten von guten Absichten ausgehen, auch wenn schlechte natürlich nicht auszuschließen sind. Festzuhalten ist jedenfalls, dass es durchaus diese Phase gab, in der Nietzsche als ‚Hausfreund‘ der Wagners regelmäßig Kontakt mit kleinen Kindern hatte – aber dass er diese Gelegenheit nutzte, um eine intensive Beziehung aufzubauen, etwa zu dem jungen Siegfried, ist unwahrscheinlich. Siegfried Wagner wird in Nietzsche wohl kaum irgendeine Art von Vaterfigur wahrgenommen haben; es blieb bei einem Gedankenspiel. – Vielleicht führt es uns an dieser Stelle weiter, darauf einzugehen, was Nietzsche über die Kindheit im Allgemeinen schrieb.

Abbildung 6: Bildnis Hugo Borst mit seinen Söhnen Heinz und Peter (1926) von der Künstlerin Käte Schaller-Härlin (Quelle).

VI. Nietzsches Bejahung der Kindheit

PS: Ja, auf dieses Thema sollten wir unbedingt noch zu sprechen kommen! Es ist ja wirklich bemerkenswert, dass Nietzsche mit realen Kindern so gut wie nie zu tun hatte, aber sicher zu den Denkern zählt, die zum Thema Kindheit und auch Schwangerschaft die schönsten Sachen gesagt haben.

Die Schwangerschaftsmetapher findet sich vor allem in Also sprach Zarathustra. Sie hat natürlich eine frauenfeindliche Komponente in dem Sinne, dass Nietzsche, wie wir es ja schon thematisiert haben, eben von einer strikten Zweiteilung der Geschlechter in dieser Hinsicht ausgeht und beide in einer bestimmten Rolle fixiert. Aber man muss auch sagen, dass Nietzsche das Gebären zugleich extrem aufwertet und als Metapher für die Fähigkeit zu einer kreativen Schöpfung an sich ansieht. Auch Männer können bei ihm in diesem Sinne „gebärende“ sein und Kinder bekommen, auch Zarathustra oder er selbst. Die feministische Interpretin Caroline Picart spricht vor diesem Hintergrund sogar von „Nietzsches unheilbarem Gebärneid [womb envy]“22. Es handelt sich also in gewisser Hinsicht um eine Abwertung, aber eben auch eine Aufwertung und es gibt einen ganz Strang in der weiblich-feministischen Nietzsche-Rezeption, in der sich die Frauen positiv auf diese Seite von Nietzsches Werk beziehen, ausgehend interessanterweise bei Lou Salomé bis hin zur wichtigen differenzfeministischen Theoretikerin Luce Irigaray.23

Aber noch wichtiger für unser Thema ist die Metapher des Kindes. Hier gibt es zahlreiche tiefschürfende Stellen im Werk Nietzsche, die mich als Vater immer wieder inspiriert haben, und die eigentlich nur dadurch zu erklären sind, dass Nietzsche Zeit seines Lebens eben ein ‚großes Kind‘ geblieben ist, sich eine große Kindlichkeit bewahrt hat und aus diesem Grunde eben sehr gut über die Kindheit schreiben konnte, auch wenn ihm die empirische Erfahrung gefehlt hat. Ich denke, um nur eines von zahllosen Beispielen zu nennen, an diesen berühmten Satz aus Jenseits von Gut und Böse: „Reife des Mannes: das heisst den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.“24 Das ist natürlich ein spezieller Begriff von „Reife“, aber wenn ich meinen Sohn beim Spielen beobachte, schießt er mir immer wieder durch den Kopf und er besitzt schon auch eine Wahrheit. Kinder sind ja manchmal so unglaublich vertieft in ihre Spiele, sie nehmen sie so wichtig. Der Erwachsene macht sich darüber oft lustig und interpretiert dieses Ernstnehmen des Unwichtigen als kindisch und unreif – doch beneidet er das Kind nicht auch um diese Fähigkeit und sind wir Erwachsenen so anders, wenn wir uns für etwas begeistern?

Und auch zu diesem Aspekt gibt es zahllose Passagen im Zarathustra. Es gibt da etwa eine Stelle aus dem Buch, die auch die schwedische feministische Autorin Ellen Key (1849-1926) ihrem Buch Das Jahrhundert des Kindes (1900), ein Klassiker der Reformpädagogik, als Motto voranstellte:

Eurer Kinder Land sollt ihr lieben: diese Liebe sei euer neuer Adel, – das unentdeckte, im fernsten Meere! Nach ihm heisse ich eure Segel suchen und suchen!
An euren Kindern sollt ihr gut machen, dass ihr eurer Väter Kinder seid: alles Vergangene sollt ihr so erlösen! Diese neue Tafel stelle ich über euch!25

Das könnte man interessanterweise sogar als Plädoyer für die Vaterschaft interpretieren,26 aber es ist vor allem als Plädoyer für die Kindheit zu verstehen. Dass man die Offenheit und Kreativität der Kinder fast schon als Vorbild nehmen soll für eine schöpferische, lebensbejahende Haltung. Und es gibt auch zig Stellen, wo das spielende Kind eigentlich sowohl als Metapher für den schöpferischen Menschen, der auf dem Weg zum Übermenschen ist, als auch für den Übermensch selbst fungiert.27

Klar, das ist ein romantisierendes Verständnis von Kindheit, das man als realer Vater vielleicht auch nicht zu 100 % teilen mag – und Nietzsche weiß darum auch28 –, aber grundsätzlich sind das großartige Sätze, die uns dazu ermuntern sollten, die eigene Kindlichkeit auch als Väter nicht ganz zu verlieren und vielleicht auch von unseren Kindern zu lernen, unsere eigene Kindlichkeit neu zu entdecken, das ist ja auch eine Seite des Vaterseins, oder?

HH: Ja, diese Unvoreingenommenheit oder auch Unverdorbenheit, diese Fähigkeit, sich vollkommen im Spiel zu verlieren, die wir vor allem bei kleineren Kindern beobachten, das findet sich auch in vielen von Nietzsches Texten. Ich glaube, was ihn auszeichnet im Vergleich zu vielen anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern – und ich neige dazu, Nietzsche tatsächlich eher mit besonderen Schriftstellern als mit anderen Philosophen zu vergleichen, ich sehe ihn immer mehr zuerst als Künstler und erst nachrangig als Philosophen: Er hat oft ganz wenig Selbstzensur, ganz wie kleine Kinder. Das erleben wir immer wieder mit unserem sechsjährigen Louis, diese völlige Offenheit selbst Fremden gegenüber in der Mitteilung. Er trifft etwa im Zug eine völlig unbekannte Person und plaudert einfach drauf los über Details aus dem Familienleben, die kein Erwachsener jemals geradeaus einfach so erzählen würde – denn die allermeisten Erwachsenen habe doch eine gewisse Selbstzensur verinnerlicht, wir überlegen uns schon ziemlich genau, was gesagt werden darf und was nicht. Vor allem, wenn wir schreiben, erst recht, wenn es etwas ist, was in Richtung Wissenschaft geht, dann überlegen wir noch genauer, dann arbeitet diese Selbstzensur noch stärker. Ich denke da oft an George Orwells Einsicht, dass diese Selbstzensur noch viel mächtiger ist als die Zensur selbst, also das, was wir selbst herausfiltern, bevor wir einen Text überhaupt abgeben.29

Und das ist das Großartige bei Nietzsche: Natürlich hat er seine Texte sorgfältig überarbeitet, bevor sie in den Druck gingen, aber trotzdem wirken sie so, als ob er geradeaus erzählt, als würde er keinerlei Selbstzensur vornehmen, völlig authentisch sprechen. Und das kann natürlich in beide Richtungen ausschlagen – manchmal bringt ihn diese Offenheit dazu, ganz furchtbare Sachen zu schreiben, manchmal aber auch zu echten Weisheiten und Juwelen. Das ist fast das Größte, was wir von Kindern lernen können.

Und ich mag auch diesen Gedanken aus dem anderen Zitat, dass die Kinder die Erzieher der Erwachsenen sind. Das ist wirklich ein großartiges Motiv. Und ich finde das nicht romantisierend, es ist schon real. Die Herausforderung besteht eben darin, das im Alltag auch authentisch zu leben. Was zum Beispiel unser Louis mit mir oft machen will, weniger mit meiner Frau Rebecca, das ist der von ihm so genannte toy fight, ‚Spielkampf‘. Er will das oft direkt nach dem Aufstehen machen, so gegen halb 7, schon vor dem Frühstück. Das heißt vor allem, schon ziemlich wild auf Papa rumzuspringen. Natürlich gibt es ein paar Spielregeln, also es darf nicht gekratzt, nicht gebissen, nicht an den Haaren gezogen werden und auf bestimmte sensible Bereiche darf man auch nicht hauen – aber bis auf diese vier Grundregeln ist es relativ regellos, man darf mehr oder weniger alles machen und das ist wieder eine Gelegenheit, ein unzensiertes Selbst zu leben, was zur Entwicklung eines authentischen Selbst beitragen kann. Ich denke, das ist schon etwas, was uns, egal, ob wir Väter sind und Kinder haben oder nicht, im Alltag fehlt, weil er so wahnsinnig durchstrukturiert und durchterminiert ist. Und auch die Digitalisierung hat die erhoffte Befreiung nicht gebracht, eher das Gegenteil ist der Fall. Unsere Zeit ist einfach immer mehr ökonomisiert, alles soll planbar sein. Und ich glaube schon, dass uns unsere Kinder die Möglichkeit geben, uns davon, und wenn es nur für 20 Minuten ist, zu befreien, immer wieder zu befreien – und das ist etwas, was ich nicht gerne missen würde.

Abbildung 7: Der Maler Gutmann mit Kind (1911) von Heinrich Eduard Linde-Walther (Quelle).

VII. Noch einmal: Männlichkeit und Weiblichkeit

PS: Ja, dem kann ich mich nur anschließen; ich habe da eine ganz ähnliche Erfahrung. Wo ich gerne nachhaken würde im Hinblick auf das Thema Gender und Geschlechterrollen: Das ist eben auch interessant, wie Kinder schon sehr intuitiv den Eltern verschiedene Rollen zuweisen und an sie unterschiedliche Erwartungen herantragen. Auch bei uns ist so – und das geht nicht, jedenfalls nicht bewusst, von uns aus –, dass von meiner Partnerin und mir sehr verschiedene Dinge erwartet werden. Von mir auch vor allem dieses Kämpfen, das läuft bei uns fast genau so ab, da wird auch immer viel „gekämpft“ – aber das will Jonathan fast nur mit mir machen. Manchmal auch mit Luise – was aber natürlich gerade jetzt, wo sie hochschwanger ist, nicht besonders gut funktioniert –, aber vor allem mit mir will er kämpfen und ‚kämpferische Dinge‘ machen, die eher stereotyp männlich sind, während er mit Luise eher auch mal ausgiebig kuschelt, knutscht, eben eher zärtliche Dinge macht. Bei ihm und mir ist es hingegen so, dass er solche Dinge gar nicht unbedingt machen möchte und mir das auch zu verstehen gibt – was natürlich auch vollkommen in Ordnung ist, selbst wenn es mich mitunter ein wenig kränkt.

HH: Genau auch bei uns gibt es „toy fighting“ nur mit mir, Rebecca sagt da auch einfach „Nein“ und hat keine Lust drauf – dafür macht sie wahnsinnig viele andere Sachen mit Louis. Man kann hier von „Stereotypen“ sprechen, aber man könnte es, philosophisch betrachtet, auch anders nennen. Man könnte ihr etwa den Begriff „Archetyp“ ins Spiel bringen – bewegt sich dann aber gleich auf dünnem Eis. Vielleicht neutraler gesagt: Viele spezifische Verhaltensweisen bleiben gegendert, ob wir das wollen oder nicht, das ist eben unser kulturelles Erbe. Ein konkretes Beispiel: das Stricken. Vielleicht sind die Kreise, in denen ich mich bewege, die falschen und nicht progressiv genug, aber ich kenne keinen einzigen Mann, der strickt. Natürlich habe ich Fotos von solchen Männern gesehen, aber ich kenne keinen. Ich kenne hingegen eine Reihe von Frauen, die stricken – Rebecca etwa strickt sehr gut, sie macht wahnsinnig tolle modische Pullis und sowas, die fast schon Kunstwerke sind. Sie hat auch Louis das Fingerstricken beigebracht, er kann zum Beispiel kleine Schals oder so etwas selber machen – das ist ein ganz reales Können, eine Fähigkeit. Also das sind Fertigkeiten, die von Natur aus keinem Geschlecht angehören, die aber auch kulturellen Gründen nur einem Geschlecht zugeordnet und entsprechend tradiert werden.

Und vielleicht ein weiteres Beispiel anzuführen, auch wenn es vielleicht etwas profan ist: In Großbritannien gibt es die „Ladybird Books“, das sind kleinformatige Bücher für kleine Kinder, vergleichbar vielleicht ein wenig mit den deutschen Pixi-Büchern, die eine Massenauflage gehabt haben. Also alle Mittelschichtskinder in meiner Generation haben die gehabt, die hatten einfach eine gute Qualität und sehr gute Illustrationen – aber viele waren in den 1950er- und 1960er-Jahren geschrieben worden und fallen daher sehr stark in die Gender-Stereotype hinein, sowohl, was die Mädchen und Frauen als auch, was die Jungen und Männer angeht. Da werden wirklich alle Klischees bedient. Kürzlich hat der Verlag, quasi als postmodernen Witz, was rausgebracht, das nennt sich „Ladybirds for Grown-Ups“, für Erwachsene also,30 das nimmt diese ganze Sache etwas auf den Arm, da gibt es etwa ein Buch, das heißt einfach nur The Dad. Da steht der Vater stereotyp am Grill und da steht so etwas wie – die Texte sind wie in echten Kinderbüchern sehr kurz: „Das ist der Papa. Er wirkt kompliziert, doch er lebt einfach nur von Bier und Würsten.“ Mehr steht da nicht. Meine Frau Rebecca und ich finden das tatsächlich sehr witzig, weil wir viele Väter kennen, die wirklich so sind.

Worauf ich hinauswill: Das ist der Zwiespalt, in dem Väter unserer Generation stecken, dass wir immer noch ein starkes kulturelles und soziales Erbe haben – wir sprechen über Jahrhunderte, die sehr stark gegendert waren – und erst seit etwa 40, 50 Jahren versuchen, da herauszukommen, aber das eben nicht gleich auf Anhieb schaffen. Diese einfachen Väter, die nicht oder kaum ihre Gefühle zeigen konnten, geschweige denn, darüber zu sprechen, die in dieser Hinsicht etwas einfach gestrickt waren – die bleiben als Erbe in uns, das es vielleicht zu überwinden gilt.

PS: Ja, mich würden auch keine zehn Pferde zum Stricken bringen, auch wenn ich das mit etwa acht, neun Jahren eine Zeit lang ganz gerne gemacht habe. – Ich wollte aber an dem Punkt vielleicht eine kleine Gegenrede anbringen. Also es gibt, das darf man nicht unerwähnt lassen, auch keinen reinen Biologismus bei Nietzsche. Es gibt zum Beispiel in der Götzen-Dämmerung diese bemerkenswerte Sentenz: „Der Mann hat das Weib geschaffen – woraus doch? Aus einer Rippe seines Gottes, – seines ‚Ideals‘…“31 Und es gibt viele andere solcher Stellen, wo sich zeigt, dass Nietzsche als historisch denkender Mensch schon ein Bewusstsein davon hat, dass Geschlechterrollen durchaus wandelbar sind, ‚sozial konstruiert‘, wie man heute sagen würde.32

Das andere ist, wie bereits angedeutet, dass seine Äußerungen über die Frauen ja gar nicht abwertend gemeint sind. Selbst in Von jungen und alten Weiblein heißt es ja unter anderem auch:
Ein Spielzeug sei das Weib, rein und fein, dem Edelsteine gleich, bestrahlt von den Tugenden einer Welt, welche noch nicht da ist.
Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Liebe! Eure Hoffnung heisse: „möge ich den Übermenschen gebären!“

Ähnlich wie das spielende Kind ist eben nicht nur der Mann als „Krieger“, sondern gerade auch die gebärende Frau für ein Sinnbild und leibhaftiger Vorschein des Übermenschen und Zarathustras und sogar sein eigenes Schaffen werden immer wieder mit dem Gebären gleichgesetzt – sogar in dieser Rede selbst. Und dass sich auch der berüchtigte ‚Peitschen-Satz‘ aus dieser Rede im Sinne eines solchen Konstruktivismus interpretieren lässt, sollte ebenso klar sein.33 Doch auch essentialistisch gelesen gibt und gab es eben zahlreiche Frauen und Feministinnen, die sich diese Seite Nietzsches positiv, affirmativ angeeignet haben und sich davon bei ihrer Definition von Weiblichkeit haben inspirieren lassen.

Also meine Position in dieser Hinsicht ist ganz klar, dass es ein Problem ist, wenn es diese repressiven Normen gibt, diese Stereotype, und man den Druck hat, sich dem anzupassen, weil sie einfach die Vielfalt der menschlichen Gattung nicht abbilden und wenig Platz für Abweichung zu lassen. Es ist insofern ein guter Prozess, dass die sich im Augenblick so auflösen und flexibler werden. Aber zur gleichen Zeit muss man aber auch sehen, dass diese Stereotypen nicht nur willkürlich sind, sondern dass es schon so etwas wie ein biologisches Substrat in irgendeiner Form gibt. Dieses ist natürlich schwer zu bestimmen, man wird es wahrscheinlich nie in Reinform definieren können. Aber es gibt ja eben Indizien davor, dass sich dieses stereotype Verhalten schon bei Kleinkindern beobachten lässt und insofern nicht rein anerzogen sein kann. Das ist ein Faktum, über das man bei aller Kritik an den repressiven Geschlechternormen nicht hinwegsehen kann. Ebenso ist es unbestreitbar, dass sich bestimmte Hormone wie insbesondere Testosteron auf das Seelenleben auswirken. Es macht eben etwas mit Menschen, wenn sie von Natur aus einen höheren Testosteronspiegel haben.34

Man muss da einfach aufpassen, und da kommt auch wieder Nietzsche ins Spiel, dass man nicht die eine repressive Moral durch die andere ersetzt. Alle Menschen sollen gleich sein, man darf sich als Mann bloß nicht zu männlich verhalten, als Frau wiederum nicht zu weiblich. Da würde ich schon sagen: Nein, es ist doch ganz in Ordnung, auch mal nach vorgegebenen Stereotypen zu leben. Wieso soll man sich da krampfhaft verbiegen? Das kann durchaus ein Ausdruck von Authentizität sein.

Ganz abgesehen von der Biologie hat es ja auch seinen Sinn, dass es diese Rollenverteilung gibt. Auch homosexuelle Paare können sich von ihr interessanterweise oft nicht lösen und ein Partner nimmt in ihnen eher eine ‚weibliche‘, der andere eine eher ‚männliche‘ Rolle ein. Es geht hier um die Aufteilung bestimmter Aufgaben, wobei man natürlich darauf achten sollte, diese fluide und situativ zu gestalten, so dass sich beide Partner gleichermaßen entfalten können.

HH: Ja, ich pflichte dir da ganz bei, dass es keinen Sinn macht, die eine repressive Moral durch eine andere zu ersetzen. Wobei das in manchen Kreisen als heikel angesehen werden könnte. Dieses ganze Thema der manosphere, also einer bubble im Netz, wo es darum geht, einen neuen Sinn für ‚echte Männlichkeit‘ in Abgrenzung zu ‚wokeness‘ und Feminismus zu kreieren, und die oft als sehr sexistisch und misogyn wahrgenommen wird (und sicher auch in großen Teilen ist), das ist schon ein sehr heißes Eisen geworden. Christian Saehrendt hat sich dieses Thema auf unserem Blog ja schon angenommen in seinem Artikel zur Frage, ob Nietzsche ein „Incel“ war. Wenn überhaupt von Männern und Vätern in der öffentlichen Diskussion gesprochen wird, geht es meist um dieses Thema der „toxischen Männlichkeit“. Aber was ist, wenn man nicht „toxisch“ werden oder bleiben möchte – gibt es einen öffentlichen Raum, um darüber offen zu diskutieren? Manche sind zu der interessanten Ansicht gekommen, dass einige Männer genau deswegen so anfällig dafür sind, auf diese manosphere-Schiene zu geraten, weil es bislang so wenige Modelle gibt für eine gute, nichttoxische Männlichkeit oder Väterlichkeit. Und es ist auch auffallend in dieser gesellschaftlichen Gleichberechtigungsdebatte – die weiterhin geführt werden muss aus guten Gründen –, dass ein Unterkapitel von diesem Diskurs ist, dass sowohl die besten als auch die schlechten Lebensergebnisse im globalen Norden von Männern erreicht werden. Man hat also als Mann zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit, sehr reich oder erfolgreich zu sein – aber auch, Suizid zu begehen, an einer Suchterkrankung zu leiden, jung zu sterben, dass man es einfach nicht gebacken kriegt, sich vernünftig zu ernähren, oder langzeitarbeitslos zu werden – um nur ein paar von den schlechtesten Lebensereignissen zu nennen, die besonders stark mit Männern verbunden sind. Das ist auch ein Teil des Vaterseins, diesen Spagat zu schaffen, ein guter Vater zu sein, ohne bei diesen schlimmsten Ergebnissen zu landen.

Oder, um es nochmal konkreter zu machen: Warum wählen so viele von diesen Männern und Vätern Donald Trump oder rechtspopulistische Parteien? Natürlich wählen ihn auch Frauen, aber es sind doch signifikant mehr Männer. Bei Weitem nicht, weil die alle so gut abgesichert oder privilegiert sind – es ist eher im Gegenteil so, dass Millionen von ihnen so prekär leben, dass sie außerhalb der gesellschaftlichen Mechanismen stehen und gar kein Vertrauen mehr darin haben, ihre eigenen Lebensverhältnisse besser zu gestalten; sie wetten stattdessen auf einen ‚großen Wurf‘, einen ‚Trump-Wurf‘; diese Vorstellung, ein ‚harter Mann‘ zu sein, ein toxischer Mann, der man ohne jegliche gesellschaftliche Absicherung durchkommt.

Also es durchaus eine Wette von uns, ein solches Thema wie Vaterschaft öffentlich zu besprechen in einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs über Männer vor allem von diesem Begriff der ‚toxischen Männlichkeit‘ geprägt ist – ich hoffe, diese Wette geht gut aus.

PS: Ja, ich nehme es auch so wahr, dass es da ein Vakuum gibt, eine Abwesenheit von Vorbildern einer nichttoxischen, verantwortungsvollen Männlichkeit und Väterlichkeit – was gerade bei jungen Männern zu einer großen Orientierungslosigkeit führt und dazu, dass sie sich zum Ersatz um Möchtegern-‚Übermänner‘ wie Trump, Musk oder gar Putin scharen. Die alten „Götzen“ sind gefallen, aber keine neuen an ihre Stelle getreten – und das führt paradoxerweise gerade zu einer beängstigenden Renaissance solcher pseudoarchaischer ‚barbarischer‘ Gestalten. Doch wir emanzipierten Männer sollten dieses Vakuum, auf ganz nietzscheanische Art, nicht betrauern und auch in keine Nostalgie verfallen, sondern als Chance zu einem kulturellen Neuanfang, zur Schöpfung eines neuen, besseren Verständnisses von Männlichkeit und Väterlichkeit. Dabei sind vor allem wir als Väter gefordert, ein solches Verständnis nicht nur zu predigen, sondern vor allem auch zu leben, unseren Söhnen hoffentlich nicht nur als negative Abstoßfiguren, sondern auch als Vorbilder zu dienen, an denen sie wachsen können – um sich dann natürlich auch wieder von uns abzustoßen, das gehört zum Vatersein ja leider auch dazu.

Mir geht es im Kern darum, dass man sich einfach um eigenes, authentisches Verständnis von Vaterschaft und Männlichkeit – und natürlich entsprechend auch von Mutterschaft und Weiblichkeit – bemühen sollte, das unabhängig von vorhandenen Stereotypen ist. Aber es wäre eben auch unauthentisch, und auch einfach nicht besonders gesund, nicht heilsam für einen selbst, sich jetzt krampfhaft von diesen Stereotypen um jeden Preis freimachen zu wollen – sowohl, was das eigene Selbstverständnis, als auch, was die eigene Erziehungspraxis angeht. Ich nehme in meinem Umfeld da schon solche Tendenzen wahr, dass man zum Beispiel um jeden Preis vermeiden will, dass die Jungen mit Waffen spielen oder sich für Krieg interessieren – und die Mädchen vielleicht genau dazu zwingen möchte. Und die Jungs bringt man dazu, mit Puppen zu spielen. Also das ist jetzt natürlich eine Überspitzung, aber es gibt eben schon derartige Tendenzen, die ich auch wieder nicht gutheißen kann.

Generell finde ich diesen ganzen Diskurs über ‚toxische Männlichkeit‘ nicht unberechtigt. Ich denke, es gibt das. Es gibt übrigens vielleicht auch eine Art ‚toxische Weiblichkeit‘, also stereotype weibliche oder sogar mütterliche Verhaltensweise, die nicht besonders heilsam sind für ihre Umgebung. Sie treten nur subtiler in Erscheinung, etwa in Formen der emotionalen Manipulation und Erpressung. Wobei natürlich die Frage ist: Was heißt ‚toxisch‘ überhaupt? Ist das nicht ein sehr vager Begriff?

Also ich finde es generell gut, dass solche Verhaltensweisen hinterfragt werden, sowohl bei Frauen als auch Männern. Aber zur gleichen Zeit beobachte ich da auch eine gewisse Einsichtigkeit oder sogar Diskriminierung von typisch männlichen Verhaltensweisen, die aber auf jeden Fall zumindest heuchlerisch ist, weil genau diese Verhaltensweisen ja auch ihre soziale Berechtigung haben und in vielen Fällen notwendig sind in der jetzigen Gesellschaft. Auch Leute, die sich sehr stark über typisch männliche Verhaltensweisen aufregen, freuen sich ja vielleicht auch, wenn es einen taffen Polizisten gibt, der sie zur Not verteidigt. Und es wird jetzt viel über eine „Zeitenwende“ und Aufrüstung gesprochen – was ich aus anderen Gründen auch wieder problematisch finde –, aber da muss man halt beides wollen, da kann man nicht sagen, dass man diese männlichen Verhaltensweisen, die man als Soldat nun einmal an den Tag legen muss, sind ganz schlecht und problematisch, aber wir brauchen zugleich viel mehr Soldaten und wenigstens alle Männer – Warum eigentlich nur die? Hat das vielleicht doch auch etwas mit der Biologie zu tun? – sollen wieder Wehrdienst leisten. Also ich sehe da eine gewisse Widersprüchlichkeit in unserer Gesellschaft und in den Debatten zu diesem Thema. Ganz generell gesprochen, sollte man vielleicht einfach mal anerkennen, dass diese typisch männlichen Verhaltensweisen teilweise gar nicht so schlecht sind und eben auch ihr Recht haben, sofern sie nicht in ein bestimmtes Extrem getrieben werden.

Das beste Beispiel ist ja Nietzsche selbst, der ja vielleicht tatsächlich auch irgendwie, wenn man diesen Begriff gebrauchen möchte, ein ‚toxischer‘ oder jedenfalls stereotypen Mann war. Darüber haben wir diskutiert und daran kann man viel kritisieren, aber diese Haltung es ihm wiederum auch ermöglicht, sein großartiges Werk zu schaffen. Ich glaube ja, dass es auch dem Werk gutgetan hätte, wenn Nietzsche seine eigene Männlichkeit stärker hinterfragt hätte – aber wäre es wirklich zustande gekommen ohne den infantilen Narzissmus, den Nietzsche kultivierte?

Und auch bei mir selbst bemerke ich, dass ich zunehmend, auch wenn das teilweise meinem Naturell gar nicht entspricht, in so eine männliche Rolle getrieben werde, die ich so definieren würde, dass man einen etwas anderen Erziehungsstil hat, dass man in bestimmten Stresssituationen eher derjenige ist, der ruhig bleibt und klare Ansichten macht. Ich glaube, das ist schon etwas, was einfach gebraucht wird, was man dann vielleicht als Mann auch leisten muss. Klar, zum einen versage ich oft genug darin, zweitens gibt es auch Situationen, in denen meine Partnerin diesen Part übernimmt, aber ich glaube, diesen Part, diesen vielleicht leicht ‚autoritären‘ Part, braucht es halt manchmal schon, und es käme dann vielleicht eher darauf an, dass man diesen männlichen Part auf eine nichttoxische und verantwortungsvolle Weise einnimmt, aber auch nicht vollkommen von sich weist. Ich glaube, dass diese neue ‚postmoderne Post-Männlichkeit‘ teilweise etwas sehr Infantiles hat, also auch wieder eine ‚toxische‘ Männlichkeit auf andere Art – auf Nietzsches Art. Da bleibt man eigentlich ein Kind, man gibt Verantwortung ab, man will um keinen Preis mehr ‚autoritär‘ sein oder etwa durch eine zu laute Stimme auffallen oder so etwas, man spricht ganz leise, macht die Beine nicht breit beim Sitzen … Also dieses Infantile wird verknüpft mit einer extrem moralischen und selbstverneinenden Haltung. Das ist auch wieder eine einseitige Entwicklung, eine Flucht vor der Verantwortung und auch vor der Authentizität, denn ich nehme es durchaus so wahr, dass solche Männer auch in keinem authentischen Selbstverhältnis stehen, sondern eben eine Seite von sich selbst künstlich verdrängen, die sie vielleicht stärker ausleben sollten. Man sollte den ‚inneren Mann‘, den ‚inneren Vater‘ in sich wertschätzen lernen – das ist vielleicht unsere Aufgabe in der jetzigen Situation.

HH: Wäre das nicht ein gutes Schlusswort für unser Gespräch?

Abbildung 8: Die Bootsgesellschaft (1893/94) von Mary Cassatt (Quelle).

VIII. „Wie die Kinder werde!“

PS: Etwas würde ich vielleicht noch einbringen. Wir haben ja viel über Lou Salomé gesprochen und über Nietzsche – da liegt es vielleicht nahe, auf den Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926) einzugehen, der etwa eine Generation jünger als Nietzsche war und witzigerweise mit Lou Salomé nicht nur befreundet war, sondern vielleicht das geschafft hat, von dem Nietzsche geträumt hat, also in einer Beziehung mit ihr war. Witzigerweise nahm er in dieser auch wieder eher die Rolle eines ‚großen Kindes‘ ein und Lou eine mütterliche – das ist bei Dichtern und Denkern ja vielleicht gar nicht mal so selten. Von ihm gibt es jedenfalls ein großartiges Gedicht, in dem er diese Haltung des Kindlichwerdens in sogar noch lyrischeren und beeindruckenderen Worten als Nietzsche zum Ausdruck bringt, und damit würde ich unser Gespräch sehr gerne ausklingen lassen:

Träume, die in deinen Tiefen wallen,
aus dem Dunkel lass sie alle los.
Wie Fontänen sind sie, und sie fallen
lichter und in Liederintervallen
ihren Schalen wieder in den Schoß.
Und ich weiß jetzt: wie die Kinder werde.
Alle Angst ist nur ein Anbeginn;
aber ohne Ende ist die Erde,
und das Bangen ist nur die Gebärde,
und die Sehnsucht ist ihr Sinn –35

Das ist doch vielleicht ein gutes Schlusswort: „Und ich weiß jetzt, wie die Kinder werde.“ Aber vielleicht muss man teilweise dann doch auch mehr Verantwortung übernehmen – das ist dann aber wieder die philosophische Ebene.

HH: Dem kann ich mich sehr anschließen. Vielen Dank, Paul, für dieses erhellende Gespräch.

Das Artikelbild ist ein Gemälde von Felix Nussbaum aus dem Jahr 1931, Leierkastenmann. Fotograf: Kai-Annett Becker. Quelle: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/6CQPR6PYR3GSAEFLYDCJDO7VC7ZKNCK7

Literatur

Wer ist der „homo sovieticus“? Ein Dialog der Narthex-Redaktion mit Vitalii Mudrakov. In: Narthex. Heft für radikales Denken 6 (2020), S. 56-63.

Diethe, Carol: Vergiss die Peitsche. Nietzsche und die Frauen. Übers. v. Michael Haupt. Hamburg & Wien 2000.

Key, Ellen: Das Jahrhundert des Kindes. Übers. v. Francis Maro. Berlin 1905.

Kimmel, Michael S.: Masculinity as Homophobia. Fear, Shame, and Silence in the Construction of Gender Identity.  In: Harry Brod (Hg.): Theorizing Masculinities. Thousands Oaks 1994, S. 119-141.

Orwell, George: Farm der Tiere. Ein Märchen. Übers. v. Ulrich Blumenbach. München 2021.

Picart, Caroline: Classic and Romantic Mythology in the (Re)Birthing of Nietzsche's Zarathustra. In: Journal of Nietzsche Studies 12 (1996), S. 40-68.

Prideaux, Sue: Ich bin Dynamit. Das Leben des Friedrich Nietzsche. Übers. v. Thomas Pfeiffer und Hans-Peter Remmler. Stuttgart 2021.

Rilke, Rainer Maria: Gedichte 1895 bis 1910. Werke Bd. 1. Hg. v. Manfred Engel & Ulrich Fülleborn. Frankfurt a. M. & Leipzig 1996.

Stephan, Paul: Links–Nietzscheanismus. Eine Einführung. 2 Bd.e. Stuttgart 2020.

Ders.: »Vergiss die Peitsche nicht!«. Eine Untersuchung der Metapher des »Weibes« in Also sprach Zarathustra. In: Murat Ates (Hg.): Nietzsches Zarathustra Auslegen. Marburg 2014, S. 85-112.

Wagner, Richard: Brief an Nietzsche v. 25. 6. 1872 (Nr. 333). In: Briefe an Friedrich Nietzsche Mai 1872 – Dezember 1874. Kritische Gesamtausgabe Briefwechsel Bd. II/4. Hg. v. Giorgio Colli & Mazzino Montinari. Berlin & New York 1978, S. 29 f.

Ders.: Brief an Nietzsche v. 24. 10. 1872 (Nr. 372). In: Ebd., S. 102-106.

Fußnoten

1: Stand 20. 12.: Unsere Tochter lässt sich immer noch Zeit.

2: Aph. 108.

3: Also sprach Zarathustra, Von alten und jungen Weiblein.

4: So heißt es auch an anderer Stelle: „Wir Männer wünschen, dass das Weib nicht fortfahre, sich durch Aufklärung zu compromittiren: wie es Manns-Fürsorge und Schonung des Weibes war, als die Kirche dekretirte: mulier taceat in ecclesia!“ (Jenseits von Gut und Böse, Aph. 232) Und unter Bezug auf die erwähnte berüchtigte Passage aus Zarathustra schreibt er in Ecce homo: „‚Emancipation des Weibes‘ – das ist der Instinkthass des missrathenen, das heisst gebäruntüchtigen Weibes gegen das wohlgerathene“ (Warum ich so gute Bücher schreibe, Abs. 5).

5: Also sprach Zarathustra, Von alten und neuen Tafeln, 23.

6: Menschliches, Allzumenschliches II, Vorrede, Abs. 3.

7: Jenseits von Gut und Böse, Aph. 232.

8: Man findet diese Konzeption von Männlichkeit auch in der Philosophie, vor allem bei Hegel in seinen Grundlinien der Philosophie der Rechts (1820), dieser furchtbaren Apologie des unauthentischen Menschen, der seine „wahre Freiheit“ im Opfer findet, sei es als „Marktplatzmann“ – ein Begriff der kritischen Männlichkeitsforschung (vgl. Michael S. Kimmel, Masculinity as Homophobia) –, sei als treuer Bürokrat im Staatsdienst, sei es, in seiner höchsten Form, als Soldat, der fürs „Vaterland“ fällt. Der Soldat und der „Krieger“ – da treffen sich seltsamerweise Hegel und Nietzsche, auch wenn es bei Nietzsche da ja eher um den resoluten Willen zur Selbstverwirklichung geht. Noch im 18. Jahrhundert, man denke nur an Rousseaus Émile (1761), dieses große Plädoyer für einen aktiven Vater als verantwortungsvollen Erzieher der Kinder, dachte man darüber noch ganz anders – doch genau gegen dieses Bild vom sorgenden Vater wandte sich Nietzsche ja, wenn er von der „Verweichlichung“ Europas spricht!

9: Vgl. hierzu Wer ist der „homo sovieticus“?

10: Zur Genealogie der Moral, Abs. III, 7.

11: Hinzu kommt eine, allerdings sehr früh verstorbene, Tochter. Für seinen unehelichen Sohn übernahm Hegel zumindest zeitweilig die erzieherische Verantwortung.

12: Hinzu kommt möglicherweise ein unehelicher Sohn.

13: Der Extremfall ist vielleicht Rousseau, der zwar, wie erwähnt (vgl. Fn. 8), die Idee einer engagierten Vaterschaft verfocht – freilich idealerweise nur mit einem Kind –, seine eigenen Kinder jedoch ausnahmslos ins Waisenhaus gab.

14: Vgl. den Bericht von Emma Schunack auf diesem Blog (Link).1

15: Aus meinem Leben, Die Jugendjahre.

16: Hier genüge der Hinweis, dass es alles andere als ausgemacht ist, dass Nietzsche sich für Frauen überhaupt in sexueller Hinsicht interessierte. Vgl. Dionysos ohne Eros von Christian Saehrendt und das Interview, das ich mit Andreas Urs Sommer über dessen neue Nietzsche-Biographie geführt habe.

17: Zu Nietzsches zeitweiligen Bemühungen um eine Ehefrau vgl. Christian Saehrendts Artikel Dionysos ohne Eros auf diesem Blog. Allerdings gilt es hier hervorzuheben, dass eigentlich nur ein Antrag an eine Frau, die junge Russin Mathilde Trampedach, eindeutig belegt ist. Wie der Kommentator „Rafael“ zu Recht darlegt, gibt es berechtigte Zweifel an der in der Forschung immer wieder vertretenen These, Nietzsche habe, je nach Variante, ein, zwei oder gar drei Mal um Lou Salomés Hand angehalten. Für diese Erzählung gibt es nämlich keinerlei zeitgenössischen Beleg, sie stützt sich fast ausschließlich auf Salomés eigene Autobiographie (vgl. dazu auch ausführlicher diesen Blogartikel). – An Nietzsches jedenfalls zeitweiligem Wunsch sich zu vermählen besteht kein Zweifel (vgl. etwa Bf. an Malwida von Meysenbug v. 25. 10. 1874). Seiner Schwester berichtet er am 25. 4. 1877 von dem Plan, eine „nothwendig vermögliche[] Frau“ zu heiraten, um seine beschwerliche Professur aufgeben zu können (Link). Er erhofft sich von einer Ehe in jener Zeit, so in einem Brief an Meysenbug vom 1. 7. 1877, eine „Milderung [s]einer Leiden“. Später schreibt er an Franz Overbeck – ironischerweise kurz, bevor er Lou Salomé persönlich kennenlernt, angesichts seines sich verschlechternden Gesundheitszustands: „Nun müssen mir meine Freunde noch eine Vorlese-Maschine erfinden: sonst bleibe ich hinter mir selber zurück und kann mich nicht mehr genügend geistig ernähren. Oder vielmehr: ich brauche einen jungen Menschen in meiner Nähe, der intelligent und unterrichtet genug ist, um mit mir arbeiten zu können. Selbst eine zweijährige Ehe würde ich zu diesem Zwecke eingehen“ (Bf. v. 17. 3. 1882). An Overbeck berichtet er später, seine Mutter wolle ihn verheiraten, um ihm eine „fürsorgliche Pflegerin“ zu verschaffen (Bf. v. 6. 10. 1885) – doch er hat zu diesem Zeitpunkt mit dieser Idee schon abgeschlossen, schrieb er doch an seine Mutter selbst Ende April desselben Jahres: „Meine liebe Mutter, Dein Sohn eignet sich schlecht zum Verheirathet-werden; unabhängig sein bis zur letzten Grenze ist mein Bedürfniß, und ich bin für meinen Theil äußerst mißtrauisch geworden in diesem Einen Punkte. Eine alte Frau, und noch mehr ein tüchtiger Diener wäre mir vielleicht wünschenswerther“ (Link). – Diese Briefe bezeugen Nietzsches eher pragmatisches Verhältnis zum Thema Ehe, wobei man, wie Carol Diethe argumentiert (vgl. Vergiss die Peitsche, S. 38), derartige Äußerungen immer cum grano salis nehmen sollte, zeigt sich Nietzsche in seinen Briefen doch oft als großer Ironiker. Er betont zumal immer wieder auch, dass eine Ehe auf Freundschaft gründen soll und gibt seinem Abscheu über die gängigen „Conventionsehe[n]“ (Bf. an Carl v. Gersdorff v. 15.04.1876) Ausdruck. Er sucht zumal klar nach einer gebildeten Frau und keinem ‚netten Dummnchen‘.

18: Nachgelassene Fragmente 1881 16[19].

19: Vgl. Ich bin Dynamit.

20: Vgl. Richard Wagner, Brief an Nietzsche v. 25. 6. 1872 & Brief an Nietzsche v. 24. 10. 1872.

21: Dass er es beim ersten Mal ignorierte, folgt implizit daraus, dass Wagner sich genötigt sah, den Vorschlag überhaupt zu wiederholen. Doch in dem überlieferten ausführlichen Antwortbrief auf diesen wiederholten Vorschlag geht Nietzsche auf diese Offerte mit keiner Silbe ein, so als hätte er sie ‚überlesen‘ (vgl. Brief an Richard Wagner v. Mitte Nov. 1872, Nr. 274).

22: Classic and Romantic Mythology in the (Re)Birthing of Nietzsche’s Zarathustra, S. 41. Übers. PS.

23: Vgl. hierzu Diethe, Vergiss die Peitsche und auch die entsprechenden Kapitel in Paul Stephan, Links–Nietzscheanismus.

24:Aph. 94.

25: Von alten und neuen Tafeln, Abs. 12.

26: Generell gibt es im Zarathustra das Ideal der Ehe als Symbiose, um gemeinsam das Kind als Projekt der gemeinsamen „Selbstüberwindung“ zu realisieren (vgl. insbesondere die Rede Von Kind und Ehe).

27: Vgl. insbesondere die zentrale Reden Von den drei Verwandlungen und Von den Tugendhaften.

28: Vgl. seine eher skeptischen Erwägungen in Menschliches, Allzumenschliches, Bd. II, Der Wanderer und sein Schatten, Aph. 265.

29: Vgl. den als Vorwort zu Farm der Tiere entworfenen Text Die Pressefreiheit (Link zum Original).

30: Vgl. die Verlagswebseite.

31: Sprüche und Pfeile, 13.

32: Niemand geringerer als Simone de Beauvoir zitiert diese Stelle etwa zur Untermauerung ihrer konstruktivistischen Position in Das andere Geschlecht (vgl. Links–Nietzscheanismus, Bd. 2, S. 354) und auch Judith Butler bezieht sich in ihrem radikalen Konstruktivismus immer wieder auf Nietzsche (vgl. ebd., S. 473-478). Feminismen aller Spielarten können sich in Nietzsches Schriften wiedererkennen. (Vgl. dazu auch ebd., Bd. 1, S. 50-55.) Das Seltsame an Nietzsches bisweilen essentialistisch anmutenden Äußerungen zum Thema ‚Mann und Weib‘ ist ja gerade, dass sie in einem offenkundigen Gegensatz zu seinem prinzipiellen Antiessentialismus stehen – und er weiß darum, wenn er etwa in Jenseits von Gut und Böse betont, dass es sich bei diesen Ansichten um „meine Wahrheiten“ handelt (Aph. 231).

33: Vgl. hierzu ausführlich Stephan, »Vergiss die Peitsche nicht!«.

34: Man denke nur an die einschlägigen Berichte von Menschen, die sich entsprechenden Hormontherapien unterzogen haben.

35: Gedichte 1895 bis 1910, S. 72.